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Bestellte Wissenschaft – Einige FragenGesetzeslose Soldaten

Brief des Aussenministers von Venezuela, Jorge Arreaza Montserrat, an den Intendanten der Deutschen Welle

Caracas, 26. Januar 2021

Herrn Peter Limbourg, Intendant Deutsche Welle (DW), Deutschland, Bonn.

Ich schreibe Ihnen hochachtungsvoll aus Caracas, Hauptstadt der Bolivarischen Republik Venezuela, um meine Ablehnung gegenüber der Redaktionslinie zum Ausdruck zu bringen, die die Deutsche Welle (DW) als Medienkette, der Sie vorstehen, gegen mein Land entwickelt hat. Die Herangehensweise gegenüber Venezuela, für die Sie sich entschieden haben, hat mit den grundlegendsten Prinzipien journalistischer Tätigkeit nichts mehr zu tun. Anstatt zwischen Tatsachen und Meinungen zu unterscheiden oder Informationen auf ihre Objektivität zu prüfen, haben Sie sich für eine Vorgehensweise entschieden, die geprägt ist von Falschmeldungen, symbolischer Gewalt, Reinwaschung der Akteure mannigfacher Aggressionen, die wir erfahren haben und Verharmlosung der Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade, der das ganze Land ausgesetzt ist.

Bevor ich im Detail auf einzelne Elemente der offenen Propaganda eingehe, die die Redaktionslinie der Deutschen Welle ausmachen, gestatten Sie mir folgende Ausführungen, um Ihnen den Ursprung der Kultur des Krieges nahezubringen, die die Nutzung von Informationen als politische Waffe leider zur Normalität gemacht hat.

Der Zeitraum von Beginn des ersten Golfkrieges bis zur Strafintervention im Irak im Jahre 2003 lehrte uns die endgültige Trennung zwischen Kommunikation und Information. Zeitgleich wurde die Nutzung der Medien als ein Instrument der Eroberung und Herrschaft ausgebaut. Diese Ereignisse hatten eine zentrale Bedeutung bezüglich der Art und Weise der Information: mit dem Golfkrieg wurde erstmals ein Krieg live im Fernsehen übertragen, begleitet von einer Informationsübersättigung, die nicht nur die Grenze zwischen Grausamkeit und Zurschaustellung verwischte sondern auch zwischen dem Ereignis und seiner Darstellung. Der Irakkrieg, wenngleich als solcher nicht der einzige, verzeichnet unzählige Kriegsakte, die durch Falschinformationen entfacht worden sind. Er wurde besonders durch die Medien monopolartig unterstützt, die als Institutionen im Dienste der westlichen Machtinteressen handelten und eine Lesart in Umlauf brachten, die darin bestand, die „zivilisatorische“ Mission der reichen Länder gegenüber der “Barbarei“ der armen Länder des Globalen Südens hervorzuheben, welche sich wiederum niemals dadurch ausgezeichnet haben, mit „Massenvernichtungswaffen“ Nationen zu bombardieren.

Genau diese Prinzipien der „Berichterstattung“ sind es, die dem Auftreten der Medien strategische Ausrichtung und Form gegeben haben, so auch jenen, denen Sie in jüngster Zeit vorstehen und die in einer einheitlichen Darstellung eines bestimmten Landes einzig aus westlicher Sicht bestehen, um jegliche Art von Aggressionen zu rechtfertigen.

Während Söldnerüberfälle, weiche Staatsstreichversuche und die Machenschaften der Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade zeigen, welche physischen Schäden die nicht konventionelle Kriegsführung gegen die Bolivarische Republik Venezuela hervorruft, so stellt die Strategie aus Desinformation, Propaganda und informativem Terrorismus der westlichen Medien gegenüber meinem Land den Nachweis eines langanhaltenden psychologischen und moralischen Schadens für unser Volk und seine Institutionen dar, mit dem klaren Ziel, das öffentliche Bild des Landes zu untergraben.

Das Volk Venezuelas ist Opfer von zwei gleichzeitig verwendeten Kriegs- und Rückeroberungsinstrumenten: Während der politische, wirtschaftliche und internationale Krieg versucht, sich unsere Naturressourcen anzueignen und unsere territoriale und institutionelle Integrität zu schwächen, verfolgt der Informationskrieg das Ziel, sich den Geist und die Seele der Venezolaner zu unterwerfen, die Grausamkeit der externen Aggressionen kleinzureden und zu verhindern, dass die Realität des Landes objektiv in der Welt wahrgenommen werden kann. Die Blockade ist auch eine Medienblockade und dahinter stehen die gleichen Beweggründe wie bei der Wirtschaftsblockade: eine Krise hervorzurufen, die als „Lösung“ das einseitige und missbräuchliche Eingreifen der westlichen Länder „erfordert“.

Leider sind das die Prinzipien, die die Redaktionslinie der Deutschen Welle gegen die Bolivarische Republik Venezuela ausmachen, wie jüngste Veröffentlichungen auf Ihrer Webseite zeigen.

Konkret heißt das, dass Ihre Darstellung der Ereignisse in Venezuela Desinformationen mit jenen Stimmen vermischt, die sich klar für einen Regime Change aussprechen. Ein Muster Ihrer Informationsaufbereitung ist gleichfalls die Verallgemeinerung von Teilwahrheiten, ideologischer Bekehrungseifer im Gewand einer journalistischen Analyse neben einer Dämonisierung der Bolivarischen Regierung und der Verwendung unvollständiger oder einseitiger Informationen, um die Realität zu verzerren.

Ein Beispiel für diese Herangehensweise, die völlig abseits von dem steht, was in Journalistenschulen gelehrt wird, ist ein Artikel, der am 14. Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde, wo es um eine angebliche „Schule für Spezialeinsätze“ geht, in der kubanische und iranische Beamte venezolanische Militärangehörige in verschiedenen „Folterpraktiken“ „trainieren“, die gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden sollen. Ausgangspunkt für diesen Artikel war eine Veröffentlichung vom Casla-Institut, welches unter Leitung der Venezolanerin Tamara Suju steht. Die Deutsche Welle hat diesen Bericht für vertrauenswürdig gehalten, seine Behauptungen zitiert und – ohne die „Quellen“ auf Glaubwürdigkeit zu prüfen – das Produkt mit der Behauptung „Kubanische und iranische Beamte bilden Militärpersonal in Venezuela aus, um die Gesellschaft zu ‚manipulieren‘“ im Titel veröffentlicht.

Die Deutsche Welle gab nicht nur die Farce von Suju als wahr aus, sondern sie hat zudem die Aussagen, die die Glaubwürdigkeit der Direktorin des Casla-Institutes als unabhängige und eine um die Menschenrechtssituation in Venezuela besorgte Stimme anzweifeln, weggelassen. Zum Beispiel wurde weggelassen, dass Suju durch den ehemaligen Abgeordneten Juan Guaidó illegal zur „Botschafterin“ in der Republik Tschechien ernannt wurde. Dieses Amt wurde von ihr im August 2019 „niedergelegt“. Ebenfalls nicht erwähnt wurde, dass Suju im August 2018 auf Twitter schrieb, dass sie „humanitäre Einmischung“, „mehr Sanktionen, mehr Bedrängnis“ gegen Venezuela forderte.

Ein weiteres Beispiel dieses Desinformationsmusters ist ein Beitrag, der am 12. Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Darin beschuldigt die Deutsche Welle die Bolivarische Regierung die „privaten Medien“ anzugreifen, indem Splitterinformationen zusammengefügt werden, um eine Art systematischen Angriffes gegen die Presse zu simulieren und die hinter diesem Beitrag steckende Absicht zu verschleiern. Es wurden Erklärungen des honduranischen Magnaten Jorge Canahuati, Präsident der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP), verwendet, ohne seine Rolle beim Staatsstreich gegen den Präsidenten von Honduras Manuel Zelaya im Jahre 2009 zu erwähnen, ein antidemokratisches Vorkommnis, welches ihm jegliches Recht auf eine Verurteilung Venezuelas abspricht.

Neben Verallgemeinerungen einmaliger Ereignisse und dazu verschiedenen Ursprungs bzw. unterschiedlicher Natur und Intensität (wie die Untersuchungen zum VPI oder die Gültigkeit des Gesetzes gegen den Hass usw.) verfällt die Deutsche Welle in eine offensichtliche Verfälschung, wenn sie behauptet, dass „ein Gespräch über den Journalismus der Nationalen Gewerkschaft der Arbeiter der Presse in der Botschaft Großbritanniens in Venezuela für das Regime ausreichend war, um gegen die Regierung von Boris Johnson wegen vermeintlicher ‚illegaler Finanzierung‘ zu protestieren“.

Die Deutsche Welle verdreht die Realität und unterlässt es zu kommentieren, dass diese Anschuldigungen wegen illegaler Finanzierung eine reale Grundlage haben, jedoch nicht aufgrund des Ereignisses, welches zitiert wird, sondern aufgrund bekanntgewordener Dokumente, die zeigen, dass sowohl die Regierung des Vereinigten Königreiches als auch die Westminsterstiftung für Demokratie (WFD) seit dem Jahr 2016 die venezolanischen Privatmedien insgeheim finanziert haben, um zu einem Meinungsklima gegen die Bolivarische Regierung beizutragen, und zwar mit insgesamt mehr als einer Million Dollar. Mit dieser vorsätzlichen Unterlassung hat die Deutsche Welle versucht, die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe Venezuelas in Frage zu stellen, indem sie das illegale Vorgehen der Regierung des Vereinigten Königreiches verheimlicht hat.

Ein weiterer jüngster Beitrag, der diese Angriffslinie gegen die Bolivarische Republik Venezuela und seine Millionen von Einwohnern zeigt, wurde am vergangenen 23. Januar veröffentlicht. Es handelt sich um einen Meinungsbeitrag Ihres Korrespondenten Johan Ramírez in Venezuela. Dieser Korrespondent verwendet eine aggressive, unangemessene und kriminalisierende Rhetorik gegen den Präsidenten Nicolás Maduro, indem er ihn als Diktator bezeichnet und den Chavismus beschuldigt, „den Streitkräften Privilegien zuzugestehen und dafür Kontrolle und Repression zu fordern“ und zu versuchen „die soziale Unzufriedenheit mit Bonussen oder öffentlichen Bauvorhaben zu besänftigen“.

Wiederum fehlen Beweise, aber diesmal vermischt mit einem viel akzentuierteren Bekehrungseifer Ihres Hauses, indem eine ideologische Haltung gegen „den Kommunismus“ von Caracas und zur Verteidigung der einseitigen Strafmaßnahmen eingenommen wird. Der Versuch von Ramírez, die Wirtschaftsblockade zu rechtfertigen, verliert an Wirksamkeit, wenn er wehmütig zugibt, dass es dem venezolanischen Volk und dem Präsidenten Nicolás Maduro gelungen ist, nicht nur diese Strategie zu zerstören sondern auch die Kampagne zum Regime Change, angeführt vom ehemaligen Abgeordneten Juan Guaidó als Delfin des US-Imperiums. Der Beitrag erinnert die Leser anfangs daran, dass sich dieser Abgeordnete vor zwei Jahren „zum Interimspräsidenten Venezuelas ernannt hatte“. Unerwähnt bleibt, dass dies einen illegalen Akt mit dem Straftatbestand der Amtsanmaßung darstellt.

Es ist zu vermuten, dass der Korrespondent die parteiische Haltung der Deutschen Welle sowie den revanchistischen Ansporn, den die vielfachen propagandistischen Angriffe gegen Venezuela in den letzten Wochen hervorgerufen haben, zum Ausdruck bringt.

Der Autor verharmlost die Politik der Umsetzung einseitiger Strafmaßnahmen gegenüber Venezuela, indem er sie als „Einschränkungen von Handelsgeschäften“ bezeichnet, wenngleich diese in Wirklichkeit Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, da damit die venezolanische Bevölkerung daran gehindert wird, ihre in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Rechte voll auszuüben, worauf schon mehrere qualifizierte Experten im Laufe der letzten Jahre hingewiesen haben.

Auch wenn Ramírez glauben machen will, dass es nicht die einseitigen Strafmaßnahmen waren, die die schwierige wirtschaftliche Situation hervorgerufen haben, die das venezolanische Volk täglich erleidet, verstrickt er sich offensichtlich in Widersprüche, wenn er bestätigt, dass die „Sanktionen“ den venezolanischen Staat „jeglicher finanzieller Mittel für nationale Aufgaben“ beraubt haben, was natürlich die nationale Finanz- und Wirtschaftssituation erschwert hat.

Neben der Propaganda zugunsten der “Sanktionen“ und des Regime Change entfaltet die Deutsche Welle eine Agenda symbolischer Angriffe auf alle Lebensbereiche der Venezolaner und versucht die Bolivarische Republik Venezuela als Gesellschaft am Rande der „zivilisierten“ Parameter des Westens darzustellen, was jegliche Aggressionen aus „ehrenhaften“ Gründen „rechtfertige“.

Möglicherweise ist der Deutschen Welle entgangen (zu verstehen), wie das venezolanische Volk und Präsident Nicolás Maduro in den Jahren des Kampfes inmitten des Medienkrieges die notwendigen Antikörper gebildet haben, um weiterhin Widerstand zu leisten und zu siegen.

Angesichts all dieser Betrachtungen fordern wir die Deutsche Welle aus Respekt vor ihren Leserinnen und Lesern sowie der deutschen und Weltöffentlichkeit auf, ihre Redaktionslinie hinsichtlich Venezuela zu überprüfen, mehr journalistische Ernsthaftigkeit walten zu lassen, Tatsachen zu hinterfragen und abzugleichen, Maßnahmen, die, wie Sie wissen, wesentliche Grundlage journalistischer Tätigkeit sind.

Mit freundlichen Grüßen,

Jorge Arreaza Montserrat Minister

Den offenen Brief gibt's hier. (Sicherungskopie)