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Die Zerstörung der CDU oder ihre Rettung? Analyse der CDU-Replik auf die “Zerstörung der CDU” (Teil 3: Klima)Greta heute in Kopenhagen

Die Zerstörung der CDU oder ihre Rettung? Analyse der CDU-Replik auf die “Zerstörung der CDU” (Teil 4: Krieg und zerplatzende Menschen)

(Den ersten Teil Wirtschaft und Soziales findet Ihr hier, den zweiten Teil Bildung findet Ihr hier, den dritten Teil Klima findet Ihr hier.)

Der Youtuber Rezo hat die CDU in seinem Video scharf kritisiert. Die unbeholfenen ersten Antworten seitens der CDU/CSU selber zeigen: er hat ins Schwarze getroffen. Rezo greift die Politik der CDU unter anderen in den Themen Umwelt, Krieg, Verhältnis zur USA, Soziales wohl vorbereitet an, bringt Belege für seine Kritik und argumentiert zwar in Jugendsprache – der Sprache seines Publikums – und polemisch, jedoch in der Sache klar, nachvollziehbar und korrekt. Interessant ist jetzt, wie die CDU/CSU mit der Kritik umgeht. Sie hat nun eine öffentliche Stellungnahme zur Kritik Rezos verfasst. Schauen wir uns diese Stellungnahme einmal genau an. (Teil 4)

Rezos flappsiger Hobby-Spruch Richtung USA („Kriege als Hobby“) wird unserer Ansicht nach der Lage nicht gerecht. Die USA und ihre Verbündeten bekämpfen den Terrorismus aufgrund der Angriffe auf New York und Washington am 11. September 2001, bei denen fast 3000 Menschen ums Leben kamen. Der UN- Sicherheitsrat verabschiedete am darauffolgenden Tag die Resolution 1368 (http://www.documentarchiv.de/in/2001/res_un-sicherheitsrat_1368.html). Sie bekräftigt die Selbstverteidigungsklausel des Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen und damit das individuelle und das kollektive Recht zur Selbstverteidigung auch nach Terrorangriffen. Die Resolution bezeichnete die Anschläge als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Der Sicherheitsrat fordert die internationale Staatengemeinschaft auf, darin zusammenzuarbeiten, die Verantwortlichen für die Anschläge und deren Unterstützer zur Verantwortung zu ziehen, sowie „verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu bekämpfen. Abschließend bekundet der Sicherheitsrat seine Bereitschaft, „alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um auf die Anschläge zu reagieren und alle Formen des Terrorismus zu bekämpfen“.

Dass die CDU mit dem “Krieg gegen den Terror” daherkommt – von dem Rezo völlig richtig sagt, dass er im Ergebnis Terroristen hervorbringt und nicht etwa ihre Zahl vermindert hat – war abzusehen. Schauen wir mal, ob die CDU auch substantiiert argumentieren kann, wenn es zur Sache geht.

Am 12. September 2001 rief die NATO den Bündnisfall nach Art. 5 des NATO-Vertrags aus (https://www.nato.int/docu/pr/2001/p01-124e.htm), der die Verbündeten zum Beistand verpflichtet. Der Bündnisfall ist noch heute in Kraft.

Richtig ist, dass die USA den Bündnisfall ausgerufen haben. Richtig ist aber auch, dass das sehr zweifelhaft war, was die Konformität mit dem NATO-Vertrag angeht, denn der war nicht für Terroranschläge sondern für die Verteidigung gegen angreifende andere Staaten abgeschlossen worden. Was die Argumentation der CDU hier jedoch ad absurdum führt ist, dass die CDU bis heute eine juristische Finte an der anderen fährt, um ja nicht sagen zu müssen, dass sich Deutschland im Krieg befindet. Denn dann wären Wahlen ausgesetzt, und die Kanzlerin befehligte die Bundeswehr. Also entweder akzeptiert die CDU nun den Kriegszustand mit seinen Konsequenzen, oder aber sie stellt fest, dass gar kein Kriegsgrund vorlieg und auch kein Krieg. Einen Grund für völkerrechtswidriges Vorgehen liefert aber auch der NATO-Vertrag nicht.

Es ist gelungen, den Anführer der verantwortlichen Terrororganisation Bin Laden zu töten und bis auf den heutigen Tag zu verhindern, dass Afghanistan wieder als Rückzugs- und Ausbildungsort von Terroristen genutzt werden kann.

Rezo hat dieses Thema gar nicht angesprochen. Die CDU übernimmt hier jedoch wiederum ungeprüft die Darstellung der USA. Dass es aber in Afghanistan etwa keine Terroristen gäbe, sieht das CDU-eigene Verteidigungsministerium bereits ganz anders; das spricht nämlich in seiner Publikation für Jugend und Bildung vom «Terror der Taliban». Die Argumentation der CDU ist hier also besonders dünn.

Die USA und ihre Verbündeten bekämpfen den Terrorismus aufgrund der Angriffe auf New York und Washington und die deutsche Unterstützung des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus wird auch durch die Ausrufung des gegenseitigen Beistands nach Artikel 42, 7 EU-Vertrag legitimiert. Er wurde von der EU nach dem Terroranschlag des IS in Paris vom 13. November 2015 ausgerufen, bei dem 130 Menschen getötet wurden.

Rezo argumentiert nicht mit Aktionen gegen Personen, denen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nachgewiesen ist. Sondern er führt zurecht an, dass sich die USA ganz offensichtlich nicht ans geltende Völkerrecht halten – und die CDU-Regierung Deutschlands auch nicht.

Das IS-„Kalifat“ ist mit der Eroberung des Dorfs Baghouz im März 2019 besiegt. Allerdings ist der IS oder der Kampf der sunnitischen Extremisten weder in der Region noch darüber hinaus damit beendet. Wie schon nach der Invasion von Afghanistan haben sich Zellen der Extremisten mit der Bekämpfung des „Kalifats“ in Syrien und im Irak in anderen Ländern wie Libyen, Ägypten, dem Jemen, Afghanistan, Nigeria oder den Philippinen verbreitet.

Wie kann der sogenannte “IS” besiegt sein, wenn sein vom deutschen und US-Partnerland Saudi-Arabien finanzierter Kampf weiter geht? Aber auch diese Argumentation geht auf Rezos Darstellung gar nicht ein.

Zum Tod der Reuters-Journalisten im Irak: Dies war ein schrecklicher Vorfall – daran gibt es gar keinen Zweifel. In seiner Darstellung unterschlägt Rezo jedoch die ersten Minuten der Aufnahmen. Das Schwarz-Weiß-Video besteht aus Aufnahmen, die aus einem der beteiligten Kampfhubschrauber gemacht wurden. Darauf ist eine Gruppe von Männern zu sehen, die sich auf einem Platz in der irakischen Hauptstadt bewegten. Zu hören ist die Bemerkung der Besatzung, einige der Männer seien bewaffnet. WikiLeaks identifiziert zwei der Personen auf dem Platz als die beiden Reuters-Mitarbeiter. Deren Kamerastative werden demnach von den Soldaten irrtümlich für Waffen gehalten. Der Hubschrauber eröffnet daraufhin das Feuer auf die Gruppe (https://www.theguardian.com/world/2010/apr/05/wikileaks-us-army-iraq-attack). Rezo erklärt hier einen schrecklichen Irrtum kurzerhand zu einem Kriegsverbrechen. Es wäre dann ein Kriegsverbrechen, wenn die Soldaten wissentlich auf unbewaffnete Journalisten geschossen hätten. Der Vorfall wurde schnell auf Antrag von Reuters untersucht und das Videomaterial zu dem Vorgang wurde Reuters überlassen. Es gab in diesem Fall nie einen Versuch, irgendeinen Aspekt dieses Einsatzes zu verheimlichen.

Das Video, über das hier gesprochen wird, ist bekannt geworden unter dem Namen Collateral Murder. Die USA verhalten sich dabei genau wie von Rezo dargestellt: statt disziplinarisch gegen die Soldaten vorzugehen, die Zivilisten beschiessen, dabei Spass haben und sich einen Dreck dafür interessieren, dass sie dabei Kinder ermorden, verfolgen die USA den Whistleblower Chelsea Manning, der das Video geleakt hat, und den Journalisten Julian Assange, der das Video an die Öffentlichkeit gebracht hat. In der Anklageschrift gegen Assange beziehen sich die USA explizit auf den angeblich oder wirklich dadurch verursachten Geheimnisverrat. Der wiederum steht jedoch im Widerspruch zu der Aussage der CDU, es gäbe etwa keinen Versuch, Aspekte dieses Einsatzes zu verheimlichen – was soll eine Anklage wegen Geheimnisverrats denn sonst sein? Die CDU argumentiert hier absurd.

Rezo verschweigt: Drohneneinsätze sind nicht per se völkerrechtswidrig. Nur wenn die Bundesregierung einem konkreten Einzelfall eine völkerrechtswidrige Militäroperation durch die USA ausgehend vom deutschen Staatsgebiet feststellen würde, dürfte sie das nicht dulden. Das ist bis auf den heutigen Tag nicht der Fall. Außerdem haben die deutschen Stellen wegen des Status der Immunität von Ramstein nur begrenzte Möglichkeiten, Ermittlungen anzustellen. Sie sind auf die Angaben der USA angewiesen. (https://www.bundestag.de/resource/blob/531932/f011954610186c3edadc3cf94c6f1e86/wd-2-086-17-pdf-data.pdf).

Rezo spricht nicht von Drohneneinsätzen, sondern richtigerweise von Drohnenmorden, also dem politischen Mord – ohne dass ein Gefechtseinsatz einer Armee oder aber ein Todesurteil vorliegt. Der politische Mord, auch wie ihn die USA durchführt, ist keinesfalls völkerrechtlich zulässig. Und schon gar nicht – auch das stellt Rezo richtig dar – darf man Leute einfach mit militärischen Waffen beschiessen, ohne genau zu wissen, ob es sich dabei um Kämpfer handelt oder um unbeteiligte Zivilisten. Die Argumentation der CDU geht hier völlig ins Leere.

Zum Irak-Krieg: Bundeskanzlerin Merkel hat sich, wie 18 andere europäische Staats- und Regierungschefs (Brief der Acht und Brief der Zehn) gegen Vermeidung eines Krieges gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein durch geschlossene Haltung des Westens deutlich ausgesprochen. Diese Abschreckungsstrategie gegen den irakischen Diktator ist gescheitert, weil Rot-Grün in Deutschland sowie insbesondere die französische Regierung von vornherein militärische Konsequenzen ablehnten und Saddam Hussein fälschlicherweise davon ausging, dass die USA und ihre Verbündeten klein beigeben würden. (Letter of the Eight: https://www.globalpolicy.org/component/content/article/168/36565.html; Letter of the Ten: https://www.novinite. com/view_news.php?id=19022)

Nicht einmal heute nimmt die CDU zur Kenntnis, dass der Irakkrieg vollständig auf einer Kriegslüge basierte. Es gab keine Massenvernichtungswaffen im Irak, und das Papier der Blair-Regierung wurde von derselben genauso gefälscht, wie auch Colin Powells Darstellung bei der UNO gefälscht war. Es ist kaum zu glauben, dass die CDU bis heute davon nichts mitbekommen haben will. Die Argumentation aber, dass wer für den Krieg sei, sei gegen den Krieg, und wer gegen den Krieg sei, sei für den Krieg, ist wohl Neusprech ersten Grades. Man kann sie kaum ernst nehmen.

Und zur Lagerung der US-Atombomben in Deutschland das Folgende: Für Rezo macht es offenbar keinen großen Unterschied, ob US-Atombomben in Deutschland uns schützen oder russische Atomwaffen auf uns gerichtet sind. Für die CDU schon. Russland führt derzeit einen verdeckten Krieg in der Ukraine und einen nicht so verdeckt in Syrien. Die US-Atombomben in Deutschland dienen der Glaubwürdigkeit der Abschreckung und sind Teil des transatlantischen Bündnisses, zu dem sich die CDU ausdrücklich bekennt. Auch Aufgrund dieser Abschreckung, dieser nuklearen Rückversicherung der USA für Deutschland und Europa im Rahmen der NATO erleben wir die seit vielen Jahrhunderten längste Friedensperiode auf unserem Kontinent.

Wie kann eine Atombombe jemanden “schützen”? Das sind Massenvernichtungswaffen. Sie schützen niemanden, sondern vernichten beim Einsatz Massen von Menschen. Und Rezo sagt auch deutlich, weshalb er der Ansicht ist, dass die meisten Deutschen die Waffen nicht in ihrem Land haben wollen: weil die Argumentation, zum Ziel in einem Krieg USA-Russland zu werden, nicht von der Hand zu weisen ist. Wen möchte die CDU damit also für dumm verkaufen? Mit der längsten Friedensperiode auf dem Kontinent ist es spätestens seit dem US-geführten Krieg gegen Jugoslawien, bei dem Deutschland mitgemacht hat, vorbei. Dass die CDU hier Russland als Feindbild weiter aufbauen möchte, überrascht dann nun wirklich gar nicht mehr. Inzwischen ist belegt, dass der Putsch in der Ukraine US-geführt war. Und völkerrechtlich führt Russland keinesfalls “nicht so verdeckt” Krieg in Syrien, sondern im Gegenteil, die syrische Regierung hat Russland um Beistand gebeten, und die Russen kommen dieser Bitte offiziell nach. Man kann nun von Militäreinsätzen halten was man will (ich persönlich lehne Kriege immer ab), aber die CDU bewegt sich hier auf ganz dünnem Eis – und Rezo hat vollkommen recht mit seiner Darstellung. Die CDU lässt hier eine völkerrechtliche Bewertung dann auch lieber ganz weg.

Es gibt nach wie vor viel zu tun – und die Fülle zu lösender, komplizierter Aufgaben ist groß. Darin sind wir mit Rezo ganz einer Meinung.

Vielleicht sollte die CDU Rezos Video noch einmal anschauen. Er fordert nämlich für die CDU etwas ganz anderes.

Wir als Volkspartei CDU kommen – und das auch gerade aus jahrzehntelanger Erfahrung in Verantwortung – jedoch zu einer anderen Einschätzung als er: Die Umsetzung maßgeblicher, großer politischer Veränderungen braucht Geduld und, ja, auch Kompromissfähigkeit. Gerade deshalb haben wir aus vielen Jahren Regierungsverantwortung der CDU viel Gutes zu berichten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Somit geht auch der Punkt in Sachen Kriegspolitik der CDU klar an Rezo.

Fazit

Die CDU kann Rezos Argumentation im Wesentlichen nichts entgegen setzen. Sie versucht es teils mit hohlen Phrasen, teils mir Selbstdarstellung, teils aber auch durch mantraähnliches Wiederholen ihrer von Rezo komplett zerlegten bisherigen Argumentation.

Ein Youtuber hat hier mit einem Video geschafft, was hunderte Journalisten über Jahrzehnte hätten machen müssen: die CDU an den Fakten messen und hart öffentlich kritisieren. Stattdessen findet weitgehend nur noch Hofberichterstattung statt. Wer also von Rezos Video noch beschämter sein müsste als die CDU sind die Journalisten, die durch ihre Arbeitsverweigerung solche Zustände über Jahrzehnte möglich gemacht haben. Hätten sie ihren für die Demokratie unerlässlichen Job gemacht, hätte es mit Deutschland und auch mit der CDU so weit vermutlich nie kommen können.