Die Zerstörung der CDU oder ihre Rettung? Analyse der CDU-Replik auf die “Zerstörung der CDU” (Teil 3: Klima)
(Den ersten Teil Wirtschaft und Soziales findet Ihr hier, den zweiten Teil Bildung findet Ihr hier.)
Der Youtuber Rezo hat die CDU in seinem Video scharf kritisiert. Die unbeholfenen ersten Antworten seitens der CDU/CSU selber zeigen: er hat ins Schwarze getroffen. Rezo greift die Politik der CDU unter anderen in den Themen Umwelt, Krieg, Verhältnis zur USA, Soziales wohl vorbereitet an, bringt Belege für seine Kritik und argumentiert zwar in Jugendsprache – der Sprache seines Publikums – und polemisch, jedoch in der Sache klar, nachvollziehbar und korrekt. Interessant ist jetzt, wie die CDU/CSU mit der Kritik umgeht. Sie hat nun eine öffentliche Stellungnahme zur Kritik Rezos verfasst. Schauen wir uns diese Stellungnahme einmal genau an. (Teil 3)
Rezo hat Recht: Die AfD ist die einzige Partei in Deutschland, die den menschengemachten Klimawandel leugnet. Die CDU hat das Problem Klimawandel hingegen schon sehr früh erkannt und große Anstrengungen unternommen, gemeinsam mit anderen Ländern beim Klimaschutz voranzukommen. Denn: Klimawandel ist ein weltweites Problem.
Da sind sich wohl alle (ausser die “AfD”) einig.
Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen, doch alleine kann es das Klima nicht retten. Deutschland ist für 2,3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, China für 28 Prozent und die USA für 15 Prozent (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klimakonferenz-in-katowice-wer-ist-klimasuender-nummer-eins-a-1241962.html). Das bedeutet: Wenn es Deutschland gelänge seine Emissionen innerhalb von acht Jahren linear auf null zu fahren und der Rest der Welt „Business as usual“ betriebe, würde sich der angesprochene Zeitpunkt, ab dem das 1,5 Grad-Ziel verfehlt wird, lediglich von Neujahr 2028 auf Anfang Februar 2028 verlagern. Das entbindet uns nicht von der Pflicht selbst etwas zu tun – zeigt aber umso mehr, dass alle mitmachen müssen.
Was für eine erstaunliche Argumentation die CDU hier liefert: sie greift nämlich die Linie der “AfD” weitgehend auf, die sie gerade noch abgelehnt hat. Sie kommt mit einem Whataboutismus daher, wie es auch die “AfD” regelmässig macht: “Was ist mit China und den USA!”. Die CDU erklärt ihr Fehlverhalten damit, dass die anderen auch nicht besser sind. Was soll man dazu sagen?
Es ist der Bundeskanzlerin und CDU-Politikerin Angela Merkel zu verdanken, dass 1997mit dem Kyoto- Protokoll ein Durchbruch erzielt wurde (https://www.bmu.de/pressemitteilung/klimaschutzprotokoll-in-kyoto- verabschiedet/). Ein weiterer großer Erfolg der CDU-geführten Bundesregierung ist, dass sich 2015 in Paris nahezu alle Staaten der Welt auf ein völkerrechtlich verbindliches Klimaabkommen geeinigt haben, das die Erderwärmung auf möglichst sogar 1,5 Grad Celsius begrenzen soll. Hierzu müssen die Vertragsstaaten alle fünf Jahre immer ambitioniertere Klimaschutzpläne vorlegen. Wir befassen uns darüber hinaus intensiv mit der Frage, wie sich Deutschland der französischen Initiative der Klimaneutralität bis 2050 anschließen kann. (https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-zum-10-petersberger-klimadialog-am-14-mai-2019-in-berlin-1611002).
Man weiss gar nicht, ob die CDU das mit dem “weiteren großen Erfolg” ernst oder ironisch meint. Die Welt steht am Abrund einer dauerhaften Klimaveränderung, die CDU erreicht nicht einmal ihre selbstgesetzten Ziele und sorgt dafür, dass Deutschland wie auch andere Industrieländer den Sturz in den Abgrund beschleunigt statt verhindert, und dann spricht die CDU von einem “Erfolg”.
Ein Erfolg wäre es, die kommende Klimakatastrophe zu verhindern. Die CDU sieht dagegen ihre leeren Versprechungen und gebrochenen Verträge bereits als Erfolg an…
Deutschland geht auch weiterhin mit gutem Beispiel voran: […]
Ich lasse das mal weg. In den Fakten hat Rezo recht. Was die CDU hier macht, ist Rosinenpicken: die fischt ein paar positive Entwicklungen ihrer ansonsten schlechten Bilanz heraus und präsentiert sie, als hätte sie damit Erfolg. Es sind solche unseriösen argumentatorischen Finten, die die CDU so unglaubwürdig machen. Auf das nächste Argument möchte ich jedoch eingehen:
Zugleich sind durch günstigere Produktionsstandorte für Photovoltaik im Ausland Arbeitsplätze dorthin abgewandert – und nicht wegen mangelnder Investitionen in diesem Bereich; allein China stellt inzwischen durch günstige Produktion 65 Prozent aller Jobs in dem Bereich (https://3pkem226sk6p252wx4117ivb-wpengine.netdna-ssl.com/wpcontent/uploads/sites/4/2018/05/IRENA_Jobs_Solarbranche_weltweit_2017.jpg)
Die von der CDU gelinkte Quelle ist ein Link ins Leere. Aber sei's drum: Rezo kritisiert zurecht, dass die CDU Jobs in dem Bereich abgebaut hat, und zwar durch Einstellen der Förderung. Stattdessen fördert die CDU weiter die Kohlekraft. China dagegen investiert massiv in diesen Bereich. Die CDU tut hier so, als könne sie nichts dafür. Tatsächlich sind das wohl nur Ausreden – sonst gäbe es überhaupt keine Kohlekraft mehr in Deutschland, denn die ist gar nicht überlebensfähig.
Weiterer Umstieg auf Erneuerbare kann nur dann gelingen, wenn Versorgungssicherheit erreicht werden kann. Und dafür braucht es Speicher, Netzausbau, räumliche Ausbaumöglichkeiten für die Erneuerbaren und Technologieoffenheit zur Emissionsvermeidung. Vieles davon wird durch Anwohner, aber auch durch Umweltschützer, gebremst. Seien es Klagen gegen Windkraftanlagen oder Trassenführung. Daher ist die CDU auch hier gesetzgeberisch tätig geworden, um die erforderlichen Baumaßnahmen z.B. für Stromtrassen leichter umsetzen zu können.
Mit “Technologieoffenheit” verklausuliert die CDU vermutlich die Atomkraft statt erneuerbare Energieträger – also die nächste Vergangenheitstechnologie mit gut situierter Lobby. Dass die Umweltschützer am Verfehlen der eigenen Klimaziele der CDU schuld sein sollen, ist sogar noch fragwürdiger. Punkten in einer seriösen Argumentation kann die CDU damit sicher nicht.
Zum Kohleausstieg gibt es Folgendes zu sagen: Für diesen Ausstieg aus dieser – in der Tat sehr klimaschädlichen – Art der Stromproduktion ist ein gesellschaftlicher Kompromiss nötig. Denn es geht nicht, wie in dem Film behauptet wird, „nur“ um 20.000 Arbeitsplätze. Mit allen neben den direkt im Kohlebergbau Beschäftigten gibt insgesamt rund 60.000 Jobs, die direkt abhängig von dieser Industrie sind. Radikale und vermeintlich einfache Schritte gehen wir hier bewusst nicht: Denn es ist unsere Aufgabe als Partei in Verantwortung, zu berücksichtigen, was ein Kohleausstieg für die betroffenen Menschen, die betroffenen Regionen und für eine stabile Energieversorgung eines Industrielandes wie Deutschland bedeutet. Wir wollen die Klimaziele einhalten, wollen zugleich aber auch dafür sorgen, dass Energie für alle – auch Menschen mit geringem Einkommen – bezahlbar bleibt. Diesen gesellschaftlichen Gesamtkonsens hat die CDU übrigens auch schon gegen viele Widerstände bei den Steinkohlesubventionen erreicht – welche schrittweise beendet werden.
Ob nun 20'000 Arbeitsplätze oder wie von der CDU behauptet 60'000 Arbeitsplätze (auch die Medien berichtet über 20'000 Beschäftigte in der Braunkohle, genau wie Rezo, dazu kommen jedoch noch die Mitarbeiter in der Steinkohle), Rezos Vergleich mit dem Abbau der Arbeitsplätze im Solarbereich trifft zu. Und für diese Mitarbeiter hat sich die CDU nicht eingesetzt, dort war kein “gesellschaftlicher Kompromiss nötig”. Warum also nur bei der Kohle?
Wirtschaft und Umwelt sind für uns kein Widerspruch. Es geht uns um beides. Und es geht beides.
Ein Kalenderspruch. Leider inhaltsfrei und damit wertlos.
Und zur CO2-Steuer dieses: Wir sind nicht generell gegen Bepreisung von CO2. Die CDU hat sich zuletzt auf ihrem Parteitag in Hamburg 2018 für marktwirtschaftliche Instrumente bei der Bepreisung von Emissionen ausgesprochen (https://www.cdu.de/system/tdf/media/images/780x439_artikel_slider/181208-beschluss-soziale-marktwirtschaft.pdf; S. 13). Wir sind davon überzeugt, dass ein verbindliches Bepreisungssystem für CO2 ein echter Klimaschutzbeitrag für Deutschland, Europa und die Welt wäre. Was wir skeptisch sehen, ist die Einführung einer einfachen CO2- Steuer, erst recht im nationalen Alleingang. Wir müssen im europäischen und internationalen Rahmen vorankommen und wir brauchen intelligente und ausgewogene Lösungen. Wir brauchen Klimaschutz mit Lösungen, die eine echte Lenkungswirkung haben, wirtschaftlich sinnvoll sind und sozial akzeptabel. Wir brauchen Lösungen, die gerade Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen oder Pendler nicht überfordern und ihnen Möglichkeite eröffnen zusätzlich Belastungen zu vermeiden. Und wir brauchen Lösungen, die die Wettbewerbsfähigkeit unseres Mittelstands nicht schwächen. Alles was wir für den Klimaschutz unternehmen, braucht dauerhafte gesellschaftliche Akzeptanz. Und zur ehrlichen Analyse der Wirkungen von CO2-Steuern in anderen Ländern wäre noch zu ergänzen: Tatsächlich war Großbritannien bei der Emissionsreduktion gerade im letzten Jahrzehnt erfolgreich. Ein wesentlicher Grund dafür ist die erheblich gesteigerte Nutzung der Kernkraft: seit 2008 von 13 auf 21 Prozent (https://www.gov.uk/government/statistics/electricity-section-5-energy-trends). Wir haben uns in Deutschland hingegen bewusst auf die Absenkungen der Kernkraftanteile verständigt (von 23 auf 12 Prozent) und sehen den Ausstieg aus dieser Form der Stromerzeugung vor (https://ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&fileName=20181214_brd_stromerzeugung1990-2018.pdf). Hier muss man sich entscheiden: Wenn man den Ausstieg aus der Kernkraft will, dann wird die Reduktion des CO2-Ausstoßes nur langsamer organisiert werden können.
Wieder sind die “Quellen” der CDU eigene Papiere oder diesmal auch Aussagen von ebenfalls konservativen, umweltfeindlichen Regierungen wie der von Grossbritannien. Auf die wissenschaftliche Sicht zum Thema geht die CDU überhaupt nicht ein. Die letzte Quelle jedoch, die die CDU angibt, zeigt, wie recht Rezo hat: denn es ist ein Papier des “AG Energiebilanzen e.V.”. Und das ist ein Lobbyverband der Energiekonzerne mit Mitgliedern wie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) oder auch des Deutscher Braunkohlen-Industrie-Vereins e.V. (DEBRIV). Die CDU ignoriert also die Wissenschaft und kolportiert direkt Aussagen der Energiekonzerne. Deutlicher hätte sie die Darstellung Rezos nicht mehr bestätigen können.
Inhaltlich ist hier nicht viel zu sagen: die CDU setzt auf Kernkraft. Dass die Wissenschaft den Umstieg auf 100% Erneuerbare Energieträger für problemfrei machbar hält, erwähnt sie nicht einmal. Sie bietet an, von einer Industrielobby zur nächsten – der Kernkraftlobby – zu wechseln. Das war's.
Ohne jeden Zweifel hat die CDU den Argumenten Rezos in Sachen Klima und Umwelt nichts entgegen zu setzen. Sie bleibt bei ihrer Konzernlobby-Hörigkeit und ignoriert den Rest.
(Weiter im Teil 4: Krieg und zerplatzende Menschen)