Die Zerstörung der CDU oder ihre Rettung? Analyse der CDU-Replik auf die “Zerstörung der CDU” (Teil 2: Bildung)
(Den ersten Teil Wirtschaft und Soziales findet Ihr hier)
Der Youtuber Rezo hat die CDU in seinem Video scharf kritisiert. Die unbeholfenen ersten Antworten seitens der CDU/CSU selber zeigen: er hat ins Schwarze getroffen. Rezo greift die Politik der CDU unter anderen in den Themen Umwelt, Krieg, Verhältnis zur USA, Soziales wohl vorbereitet an, bringt Belege für seine Kritik und argumentiert zwar in Jugendsprache – der Sprache seines Publikums – und polemisch, jedoch in der Sache klar, nachvollziehbar und korrekt. Interessant ist jetzt, wie die CDU/CSU mit der Kritik umgeht. Sie hat nun eine öffentliche Stellungnahme zur Kritik Rezos verfasst. Schauen wir uns diese Stellungnahme einmal genau an. (Teil 2)
In der Bildungspolitik steht für die CDU Chancengerechtigkeit im Zentrum. Das deutsche Bildungssystem ist inzwischen sehr durchlässig: Auf jeden Abschluss folgt ein Anschluss. Studieren ohne Abitur ist heute selbstverständlich möglich. Dies ist auch ein Erfolg einer konsequenten Bildungspolitik der CDU in Bund und Ländern. Zugleich setzen wir konsequent auf die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. (https://www.bmbf.de/de/bbig-novelle-das-sind-die-wichtigsten-aenderungen-8640.html). Wir setzen neben Abiturienten und Hochschulabsolventen eben auch auf gut ausgebildete Facharbeiter und Handwerksmeister.
Als Quelle nennt die CDU wiederum ihr eigenes Ministerium statt wie Rezo unabhängige Quellen zu bemühen. Rezo kritisierte das Kürzen von Bildungsausgaben insbesondere durch CDU-Regierungen in den Ländern. Die CDU nimmt wiederum zum Thema nicht Stellung und spricht stattdessen über etwas anderes. Dabei bleibt sie auf dem Niveau von Werbeaussagen.
Eine PISA-Auswertung im Februar 2018 ergab zudem: In kaum einem anderen Land ist der Anteil sozialschwacher Schüler mit soliden Leistungen so deutlich gewachsen wie in Deutschland - von 25,2 im Jahr 2006 auf 32,3 Prozent 2015. Auch das ein Erfolg konsequenter CDU-Bildungspolitik in den vergangenen Jahren: Das Problem ist erkannt und es wird gehandelt. Richtig ist aber auch unserer Meinung nach, dass die Situation hier noch weiter verbessert werden sollte.
Die PISA-Studie gibt's hier. Die CDU hat hier tatsächlich eine Verbesserung zu verzeichnen. Jedoch muss sie dafür schon vom Thema abweichen. Mit Rezos Argumentation hat das wenig zu tun. Und das Niveau, auf dem hier die Lage verbessert wird, ist für einen entwickelten Industriestaat wenig überzeugend. Denn die Chancengleichheit liegt in Deutschland immer noch unter dem OECD-Durchschnitt (siehe Diagramm unten in der verlinkten Quelle). Vielleicht verlinkt die CDU deshalb die Originalquelle nicht, weil sonst aus dem scheinbaren Erfolg nur eine Aufholjagd wird, um den Anschluss an den Durchschnitt nicht zu verlieren?
Deshalb setzen wir auf die frühkindliche Bildung als einen entscheidenden Faktor für mehr Bildungsgerechtigkeit. Hier setzt die Politik der CDU an: Seit dem 1. August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege bereits ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Die Betreuungsquote hat sich im Bundesdurchschnitt seit 2008 von 17,6 Prozent auf 33,6 Prozent (2018) fast verdoppelt. Das Gute-KiTa-Gesetz setzt auf mehr Qualität in der Kindertagesbetreuung. Dafür investiert der Bund in den kommenden Jahren 5,5 Milliarden Euro. Zudem wirkt das Bundesprogramm „Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher“ dem drohenden Fachkräftemangel entgegen (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/kinderbetreuung/kita-ausbau). Außerdem setzen wir noch in dieser Wahlperiode den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule um. Das lässt sich der Bund 2 Milliarden Euro kosten. All das sind Maßnahmen der CDU, um die Chancengleichheit weiter zu erhöhen.
Das ist gut und schön. Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland den Anschluss wieder schafft. Die Politik der CDU jedenfalls war es, die das Land unter den Durchschnitt geführt hat.
Bildungsausgaben in Deutschland – Rezos in Prozenten angegebene Zahlen stimmen. Doch ein Blick auf die Gesamtbildungsausgaben eines Landes sind trügerisch, kommt es doch vielmehr darauf an, wie viel Geld bei jedem Einzelnen, der von einem Bildungssystem profitiert, ankommt. Da sehen die Zahlen anders aus: Im Schnitt gab Deutschland pro Schüler und Student im Jahr 2017 knapp 9400 Euro jährlich aus - rund 1400 Euro mehr als im OECD-Schnitt (Bildung auf einen Blick 2018. OECD-Indikatoren ,September 2018). Bezieht man die öffentlichen Bildungsausgaben auf die Anzahl der Bildungsteilnehmer allein im Schulbereich, zeigt sich (innerdeutsch): Die Bildungsausgaben pro Schüler stiegen seit 2009 von 5600 Euro auf 7100 Euro im Jahr 2016. Das entspricht einer Zunahme von 27 Prozent – klare Verbesserungen im Schulbereich wurden also realisiert (Hans-Peter Klös: Entwicklung der Bildungsausgaben seit 1995. IW-Kurzberichte 72.2017).
Die CDU liefert hier einen Taschenspielertrick. Sie argumentiert mit absoluten Zahlen, um aufgrund der unterschiedlichen Kaufkraft in unterschiedlichen Ländern gut dazustehen. Genau um das zu verhindern, wird der Vergleich relativ zum BIP geführt und nicht in absoluten Zahlen. Es ist also genau umgekehrt: die Darstellung der CDU ist trügerisch. Das spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle, schliesslich ist es bereits bezeichnend, dass CDU-geführte Länder weniger für Bildung ausgeben als andere Bundesländer. Die CDU versucht hier also auch noch, den Einsatz von anderen Regierungen als ihren Erfolg zu verkaufen.
Zudem müssen „jüngere“ Gesellschaften einen höheren Anteil ihrer Wirtschaftsleistung in Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ihrer Bevölkerung investieren als reifere bzw. „ältere“ Gesellschaften wie Deutschland. Hier macht sich im internationalen Vergleich schlicht die demografische Entwicklung Deutschlands bemerkbar.
Das ist wohl nur eine madige Ausrede, weshalb CDU-Regierungen weniger Geld für Bildung ausgeben als andere Regierungen.
Ähnlich trügerisch wird es, wenn man die Bildungsausgaben nach Bundesländern vergleicht: In den letzten Jahren gaben zwar SPD-regierte Stadtstaaten wie Berlin und Bremen am meisten für Schulbildung aus, bei den Rankings hinsichtlich der Bildungsqualität und Erfolge – und damit auch der Chancengleicheit – liegt aber vor allem Berlin immer auf den hinteren Plätzen. Dafür gibt es auch nachvollziehbare Gründe: Der Zuzug aus dem In- und Ausland erfolgt seit Jahren in die Großstädte des Landes, während es in ländlichen Gebieten einen Schülerrückgang gibt. Hinzu kommt die Zusammensetzung der Schülerklientel in den Großstädten: mehr Schüler mit Migrationshintergrund und aus sozial schwächeren Familien bedeuten höhere Kosten, beispielsweise für Sozialarbeiter, Schulpsychologen etc. Die Großstädte sind also durch Zuzug und durch die Zusammensetzung ihrer Schülerschaft gezwungen mehr Geld für Bildung auszugeben. Die von Rezo genannten Zahlen zweifeln wir nicht an. Sein Rückschluss daraus, dass ein automatischer Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben pro Kopf und Qualität der Bildung besteht, wird von den Untersuchungen zur Bildungsqualität allerdings nicht gedeckt.
Rezo hat von gar keinem solchen “automatischen Zusammenhang” gesprochen, sondern nur die Versprechungen der CDU mit ihrer (Nicht-) Erfüllung verglichen.
Gleichwohl benötigt gute Bildung eine gute finanzielle Ausstattung. Auf dem Dresdner Bildungsgipfel verkündete die Kanzlerin das mit den Ministerpräsidenten besprochene Ziel, bis 2015 gesamtstaatlich 7 Prozent für Bildung und 3 Prozent für Forschung auszugeben. Das Forschungsziel wurde mit einem Anteil von 3,03 Prozent am BIP für das Jahr 2017 inzwischen erreicht. Im Bildungsbereich arbeiten wir an der Erreichung des Ziels. Wir geben heute insgesamt deutlich mehr für Bildung aus: Die Ausgaben in diesem Bereich sind seit 1995 von allen öffentlichen Ausgaben am stärksten gewachsen. Sie sind pro Kopf um ein Drittel gestiegen; der Anteil an den öffentlichen Ausgaben der Länder liegt inzwischen bei über 20 Prozent. Die nominalen Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die drei Bildungsbereiche (Primarbereich, Schule und Hochschule) sind zwischen 1995 und 2016 (Soll) um 70 Prozent gestiegen. Besonders stark war der Anstieg beim Bund, der seine Ausgaben rund verdreifacht hat. Die Bildungsausgaben sind deutlich stärker gestiegen als die öffentlichen Ausgaben, die im gleichen Zeitraum nur um rund 17 Prozent wuchsen (Hans-Peter Klös: Entwicklung der Bildungsausgaben seit 1995. IW-Kurzberichte 72.2017).
Es ist ja gut und schön, dass die CDU ihren Fehler wieder gut machen will. Was Rezo zu recht kritisiert hat ist, dass die CDU in Sachen Bildungspolitik eine grosse Differenz zwischen Worten und Taten aufweist. Dagegen weiss die CDU nichts zu setzen ausser dem Hinweis, dass sie beabsichtigt, zukünftig diese Differenz kleiner ausfallen zu lassen.
(Weiter gehts im dritten Teil: Klima)