Konflikt und Krisis: Partizipativer Umgang mit Massenmedien
Head Canon: Medien im epikritischen Zeitalter - Teil 3
Den Artikel gibt's hier. Die Darstellung der Fakten im Artikel ist nicht übel. Aber mit Deutung und Bewertung bin ich überhaupt nicht einverstanden. So wird das Fazit gezogen:
Wenn Judith Miller Jahre später ihre alten NYT-Arbeiten zum Irak-Krieg einordnet – wenn Colin Powell seine UN-Rede 2003 rückblickend als auf fehlerhaften Geheimdienstberichten basierend rechtfertigt – wenn Kai Gniffke wiederholt die Berichterstattung der Tagesschau-Redaktion verteidigt – und wenn vor allem täglich tausende Kommentare unter Medienberichten geschrieben werden, die diese Berichte teils scharf kritisieren: Dann ist auch dies das Ausfüllen wahrgenommener Lücken. Ein Narrativ wird als unvollständig oder falsch erkannt; individuell versucht man, diese Lücken zu füllen und Zusammenhang in die Geschichte zu bringen. […] Dieses Verhältnis von Medienberichten und Kommentaren ist ein Beispiel für ein gesellschaftliches Phänomen, das der Soziologe Helmut Willke in seinem Band “Dystopia” als Krisis des Wissens bezeichnet: “die Unfähigkeit, mit Nichtwissen kompetent umzugehen”.
Der Autor irrt. Weder Miller noch Gniffke können Nichtwissen reklamieren (schon gar nicht Powell). Sie wissen von Anfang an, dass sie lügen, dass sich die Balken biegen. Sie rechtfertigen sich deshalb auch nicht (im Falle Millers und Powells geht es bei verlorener Deutungshoheit vor allem darum, keine Verantwortung für die aufgeflogenen Lügen zu übernehmen). Sondern ihr ganzes Streben ist auf Kritikabwehr und Kritikimmunisierung ausgerichtet. Sie wissen, dass ihre Position argumentativ nicht zu halten ist. Also üben sie sich darin, den Diskurs zu verhindern.
Bei ARD Aktuell geht es soweit, dass mit dem sogenannten “Faktenfinder” eine Propagandaabteilung reinsten Wassers gegründet wurde. Hier wird Journalismus nicht einmal mehr simuliert, sondern gleich Wahrheitsverkündung reklamiert. Das ist keine Redaktionsabteilung, sondern es ist die Inquisition. Und entsprechend sind auch (wie beabsichtigt) Positionierung und Wirkung.