Die gecancelte Freiheit
Das Recht, seine Meinung zu äußern, hat zwei Facetten: Jeder kann sagen, was er denkt, und dafür alles sehen, was er will. Das Internet wäre für beides der perfekte Ort, wenn es nicht die Definitionsmacht der Regierungen bedrohen würde. Die Folgen: Propaganda, Zensur und ein Klima der Angst.
Ich bin Medienforscher und kein Jurist oder Verfassungsspezialist. Und ich bin kein Schweizer, sondern Deutscher. Ostdeutscher. Beides prägt meinen Blick auf das Thema. Ich wollte in der DDR Sportreporter werden und habe als junger Mann gelitten unter Denk-, Sprech- und Schreibverboten, die nirgendwo standen, aber trotzdem den Alltag in den Redaktionen prägten. Bei den Tabus ganz oben: alles, was der Westen vielleicht für sich nutzen konnte oder irgendein möglicher Gegner bei uns. Den Umbruch 1989/90 habe ich als Versprechen erlebt. Auf eine Formel verdichtet: publizistische Vielfalt. Fortan wird es möglich sein, so habe ich damals gehofft, über all die unterschiedlichen Meinungen und Interessen zu diskutieren, die es in einer Gesellschaft gibt. Man wird sich nicht immer einigen können, natürlich nicht, sich aber selbst ein Bild machen können, weil die Informationen und die wichtigsten Interpretationen für jeden zur Verfügung stehen.