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“Frieden mit Russland keine moralische Pflicht”Weiss das jemand?

Thomas Bareiß: Engere Kontakte zur Aserbaidschan-Connection als bisher gedacht

Köln/Berlin, 2. Mai 2021 – Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär der CDU im Wirtschaftsministerium, pflegte engere Kontakte mit den Akteuren des Aserbaidschan-Lobbyskandals als bisher bekannt. Jahrelang hat Bareiß bei den Angaben zu seinen Nebentätigkeiten im Bundestag nicht öffentlich gemacht, dass er im Kuratorium eines Lobbyverbands war, der das Image des autokratisch geführten Staats aufpoliert. Ein Strippenzieher der Aserbaidschan-Connection hatte ihn schon 2007 angeworben – gemeinsam mit zentralen Figuren im Aserbaidschan-Lobbyskandal. Bareiß bestreitet, dass er die Kuratoriums-Mitgliedschaft tatsächlich damals schon angenommen hat. Doch die Vereinsunterlagen legen eine andere Lesart nahe.

Bareiß reiste 2007 mit Axel Fischer, Andreas Schockenhoff, Eduard Lintner und Otto Hauser nach Aserbaidschan. Gegen Fischer und Lintner ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsverdacht, Otto Hauser, heute Honorarkonsul von Aserbaidschan, wird immer wieder vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen in dem Land unter den Teppich zu kehren. Nur einen Monat später warb Hauser die gesamte Reisegruppe als Mitglieder des Kuratoriums des regimefreundlichen Vereins „Deutsch-Aserbaidschanisches Forum", dessen Vorstand er war. Diesen Vorgang zeigt das Protokoll der Mitgliederversammlung von 2007, das LobbyControl vorliegt. Seine Mitgliedschaft im Kuratorium des Vereins hat Bareiß damals nicht auf seiner Bundestagswebseite angegeben. „Seine Verbindungen zu dem dubiosen Aserbaidschan-Netzwerk blieben so für die Öffentlichkeit über Jahre im Dunkeln,“ kritisiert Nina Katzemich von LobbyControl.

Bareiß bestreitet seine Mitgliedschaft im Kuratorium seit 2007. LobbyControl gegenüber erklärt er, er sei 2007 nur als Gast auf einer Kuratoriumssitzung gewesen. Dort sei seine Mitgliedschaft im Kuratorium auch Thema gewesen. Diese sei aber erst bei der Mitgliederversammlung 2013 formal vollzogen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe er sie dann auch angegeben. Unterlagen zur Untermauerung seiner Version hat Thomas Bareiß bisher nicht vorgelegt. Das LobbyControl vorliegende Protokoll der Mitgliederversammlung von Februar 2013 enthält keine Wahl zu einem Kuratorium. Auf dieser Sitzung wurden lediglich weitere ordentliche Mitglieder ohne Nennung von Namen in den Verein aufgenommen.

Katzemich: „Bareiß scheint die Kuratoriumsmitgliedschaft mit der Frage der Vereinsmitgliedschaft zu verbinden. Es ist möglich, dass Thomas Bareiß erst 2013 Mitglied im Deutsch-Aserbaidschanischen Forum wurde, aber wir sehen keinen Zusammenhang zwischen seinem Sitz im Kuratorium und seiner ordentlichen Mitgliedschaft im Verein. Das sind zwei getrennte Vorgänge“. Im Protokoll der Mitgliederversammlung aus dem Jahr 2007 steht, „es sei dem DAF gelungen, ein hochkarätiges Kuratorium zu besetzen. So seien unter anderem MdB Andreas Schockenhoff (stellvertretender Fraktionsvorsitzender und für Außenpolitik zuständig), MdB Eduard Lintner, MdB Axel Fischer, MdB Thomas Bareiß (…) Kuratoriumsmitglieder geworden.“ Dies hat die Mitgliederversammlung damit zur Kenntnis genommen. Außerdem sollten die Kuratoriumsmitglieder 2008 auch als ordentliche Mitglieder geworben werden. In der Satzung hat LobbyControl keine Anforderung gefunden, dass Kuratoriumsmitglieder auch Vereinsmitglieder sein müssen. Nach Einschätzung von LobbyControl war Bareiß damit Mitglied im Kuratorium. „Bareiß hätte die Kuratoriumsmitgliedschaft entsprechend den Verhaltensregeln des Bundestags angeben müssen“, so Katzemich. Das sei auch unabhängig davon, wie aktiv dies in der Folgezeit war. Bareiß gibt an, er habe „zwischen 2007 und 2013 auch an keiner Kuratoriumssitzung oder einer anderen Veranstaltung des deutsch-aserbaidschanischen Forums teilgenommen“.

„Ungeachtet aller formalen Fragen war Herr Bareiß offenbar schon 2007 im Verein dafür vorgesehen und bereit, Mitglied in den deutsch-aserbaidschanischen Lobby-Netzwerken zu werden“, so Katzemich weiter. „Dies wurde für die Öffentlichkeit und Wählerinnen und Wähler erst 2013 sichtbar. Zugleich pflegte Bareiß in dieser Zeit jenseits formaler Kuratoriumssitzungen wiederholt Kontakte zu der Aserbaidschen-Connection rund um Otto Hauser und Eduard Lintner."

2012 reiste Bareiß mit einem der Hauptstrippenzieher des Skandals, Eduard Lintner, nach Aserbaidschan. Ermittlungen haben gezeigt, dass Lintner rund vier Mio. Euro aus dem Land erhielt; das Geld setzte er für Lobbyarbeit zugunsten des Regimes ein und verteilte einen Teil an weitere Politiker:innen, die sich regimefreundlich verhielten oder äußerten. Die Kosten für Bareiß’ Aserbaidschan-Reise übernahm Lintners Lobbyfirma „Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen“, die wiederum von Aserbaidschan bezahlt wurde.

LobbyControl gegenüber hat Bareiß erklärt, er habe zum Zeitpunkt der Reise keine Kenntnis von Lintners Rolle als Aserbaidschan-Lobbyist gehabt. Auch dass die Reise aus Aserbaidschan finanziert wurde, habe er nicht gewusst. Nina Katzemich: „Dies klingt für uns nicht sehr glaubwürdig. Über Lintners Aktivitäten für Aserbaidschan berichteten 2012 bereits Medien und Nichtregierungsorganisationen. Dies hätte Bareiß wissen müssen, zumal er Lintner doch bereits von einer Aserbaidschan-Reise und aus dem Kuratorium kannte. Er hätte als Abgeordneter mehr Sorgfaltspflicht walten lassen müssen. Entweder hat er die Augen vor der Wahrheit verschlossen oder er hat diese Nähe in Kauf genommen. Beides wirft kein gutes Licht auf ihn.“

CDU und CSU haben recht zügig auf die Maskenaffären reagiert, die Aserbaidschan-Netzwerke in ihren eigenen Reihen bleiben davon aber weitgehend unberührt. Hier müssen die Schwester-Parteien dringend nachlegen. Auch Thomas Bareiß gibt Informationen über seine Verbindungen mit Aserbaidschan und dessen Lobbynetzwerken bisher nur zögerlich und unter Druck heraus. Nina Katzemich: „Das ist ein schlechtes Signal an die Öffentlichkeit und spricht nicht für seine Bereitschaft, alle Fakten auf den Tisch zu legen. Thomas Bareiß und die gesamte CDU müssen dazu beitragen, endlich den Aserbaidschan-Skandal komplett aufzuklären.“

Hintergrund

Thomas Bareiß ist in den vergangenen Jahren als klarer Gegner einer schnellen Energiewende aufgefallen und hat sich immer wieder gegen einen zügigen Gasausstieg gestellt. In Deutschland pflegte er enge Verbindungen zur hiesigen Gasindustrie, u.a. durch seine frühere Mitgliedschaft im Beirat des Gaslobbyverbands Zukunft Erdgas (heute: Zukunft Gas). Aserbaidschan ist ein Schlüsselstaat in Sachen Gasgeschäfte – sowohl als Liefer- als auch als Transitstaat. Die Interessen der deutschen Gasindustrie an Aserbaidschan sind daher hoch. Immer wieder gab es Begegnungen zwischen Bareiß und dem aserbaidschanischen staatlichen Öl- und Gaskonzern „State Oil Company of Azerbaijan Republic“ (SOCAR), dessen Deutschland-Chef seit 2017 im Vorstand des deutsch-aserbaidschanischen Forums sitzt. So sprach Bareiß 2018 beim ersten Deutsch-Aserbaidschanischen Wirtschaftsgipfel, den der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann organisiert hatte. Dieser hat inzwischen wegen Maskendeals und Vorwürfen im Aserbaidschan-Skandal sein Mandat zurückgegeben.

Deutsch-Aserbaidschanisches Forum (DAF): In den Gremien des Vereins tummelten und tummeln sich ein Ex-Fußballnationaltrainer, viele ehemalige Politiker:innen mit Rang und Namen und Strippenzieher wie Eduard Lintner und Otto Hauser. Mindestens seit 2017 sitzt auch der Leiter der deutschen Repräsentanz von Socar, Elmar Mamedov, mit im Vorstand des deutsch-aserbaidschanischen Forums. Vorübergehend war auch Erich Bilges im Vorstand. Der ehemalige Bild-Chefredakteur leitete die PR-Agentur Consultum Communications, die selbst im Auftrag von Aserbaidschan an einem sauberen Image des Landes arbeitete.

LobbyControl hat Thomas Bareiß nach seiner Rolle im Kuratorium gefragt. Dort seien „Themen des deutsch-aserbaidschanischen Verhältnisses, insbesondere Fragen von Menschenrechten, Rechtstaatlichkeit und Demokratie mit Vertretern von Medien, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“ diskutiert worden, wie er LobbyControl antwortete.

(Quelle: Pressemitteilung von LobbyControl)