Austrofaschismus 2018
Seit 1934 wird mit dem Wort “Austrofaschismus” die österreichische Kopie der italienischen Fasci di combattimento und der deutschen Nazis bezeichnet. Austrofaschismus beschreibt eine spezifisch österreichische Version der faschistisch-autoritären Herrschaft, die 1934 in Österreich errichtet wurde. Historisch gesehen war die brutale Zerstörung der österreichischen Zivilgesellschaft weniger idyllisch, als sie in “Meine Lieder – meine Träume” verklärt worden ist. Sie beinhaltete Austrofaschisten, die Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden usw. ermordeten. Vieles davon wurde nach der Annexion Österreichs von 1938 durch Nazideutschland unter dem Nazi-Motto: “Heim ins Reich!” noch verstärkt – Faschisten, die ins Deutsche Reich zurückkehrten. Damit wurde der Austrofaschismus zum vollwertigen Naziregime, und eine antisemitische, mythische und ethnisch gesäuberte “Volksgemeinschaft” wurde begründet. Das neue austrofaschistische Regime wurde gewaltsam hergestellt, auf der Grundlage der Vaterländischen Front, einer paramilitärischen Miliz, die fest an die wesentlichen Teile der Nazi-Ideologie glaubte wie an ethnische Säuberung, Antisemitismus, Militarismus und die “Arische Volksgemeinschaft”. Wie dem auch sei, das alles ist nicht mehr länger nur Geschichte. Elemente des Austrofaschismus sind wieder im heutigen Österreich aktiv.
In der aktuellen Nationalratswahl in Österreich erreichte die tiefkatholische und erzkonservative ÖVP 31.5%, während die sogar noch weiter rechts stehende und fremdenfeindliche FPÖ – man nennt sie auch den ideologischen Nachfolger des Austrofaschismus – auf 26% kam. Derzeit formen beide Parteien eine Koalitionseregierung, und zusammen kommen sie einer Zweidrittelmehrheit gefährlich nahe, mit der sie Österreichs Verfassung ändern könnten. Damit könnte sich Österreichs neuer Austrofaschismus dem extrem reaktionären, antisemitistischen und George-Soros-besessenen ungarischen Premierminister Victor Orban anschliessen. Dies würde die Ausdehnung von Orbans fremdenfeindlicher “migrationsfreien Zone” ermöglichen. Was heute “migrationsfreie Zone” genannt wird, sprich: das Entfernen allen Nicht-Ungarischen, Nicht-Österreichischen und Nicht-Deutschen, hiess vormals “judenfrei”. “Judenfrei!” war die Parole, die ans Nazi-Hauptquartier zurück gemeldet wurde, um die komplette Auslöschung aller Juden in einem bestimmten Gebiet zu melden – in dem also der Nazitraum von der totalen Vernichtung aller Juden erreicht wurde.
Darüber hinaus könnte Österreichs neue Koalition Orbans Halluzinationen der Existenz eines “Schattenreiches, das insgeheim die Europäische Union regiert” in einen Kampf gegen alles Fremde verwandeln. Victor Orban strebt bereits eine engere Bindung an Österreich an, um das österreichisch-ungarische Reich wieder zu errichten. Dieses rechtsextreme, neue zentraleuropäische Reich ist dazu bestimmt, jene dunklen Mächte zu bekämpfen, die – Orbans reaktionären Fantasien zufolge – einen dunklen Plan verfolgen, um Europa in ein multi-kulturelles Staatengebilde zu verwandeln – eine echte Angstvorstellung für alle jene, die von einem “reinrassigen Volk” träumen. Orbans widerlicher Plan könnte nun als Erweiterung der anti-migrantischen Visegrád-Staaten verwirklicht werden: nämlich von Polen, der Tchechischen Republik, Slovakien und Ungarn. Orban und seine austrofaschistischen Amtskollegen haben bereits damit begonnen, über die Einrichtung einer mitteleuropäischen “Verteidigungslinie” gegen Flüchtlinge zu sprechen – gegen eine imaginäre Flut, die Europa bedrängt. Der aktuelle Wahlerfolg der FPÖ könnte also ein Wiedererwecken des Austrofaschismus' bedeuten, der während der konservativ-sozialdemokratischen Herrschaft in Österreich jahrzehntelang gezwungen war, still zu halten. Der Austrofaschismus hielt dabei in obskuren Organisationen, faschistischem Paramilitär, rechtsextremen Burschenschaften und aktuell auch in düsteren Internetgruppen eine Art Winterschlaf. Heute erfährt der Grossteil seines Repertoires an nationalistischer und antisemitischer Ideologie eine Renaissance. So wie der Grossteil Europas ins Rechtsextreme abrutscht, erscheint auch der “Ewige Jude” wieder auf der Bildfläche. Inzwischen werden rassistische “Kämpfer für die weisse Rasse” (ein weiteres Trugbild des Austrofaschismus) dazu aufgerufen, Europas “Weiss-Sein” zu verteidigen.
Wie auch im Falle von Deutschlands “AfD”, so wird auch deren österreichische Schwesterpartei, die FPÖ, von den Mainstreammedien als ‘rechtsaussen’, ‘rechtspopulistisch’ und ‘rechtsgerichtet’ bezeichnet. Das tarnt den Wolf im Schafspelz. Trotzdem haben einige bemerkt, dass die FPÖ klare Nazi-Tendenzen aufweist. Zwanzig ihrer dreiunddreissig Parteifunktionäre zeigen starke ‘völkische’ Neigungen. “Völkisch” ist ein entscheidender Nazibegriff und Teil der Kernideologie des Nazismus' und Austrofaschismus'. Das alles existiert freilich nicht jenseits wirklicher Personen. Inmitten der FPÖ und in vielen ihrer führenden Parteiposten kann man viele “Kellernazis” finden. Der Ex-Neonazi und jetzige FPÖ-Vorsitzende Strache z.B. hat eine besonders gewaltsame Neonazi-Vergangenheit.
Einer von Straches alten Neonazi-Freunden und -Kampfgefährten ist Andreas Reichardt. Er ist für einen hochrangigen Posten im Verkehrsministerium vorgesehen. Neben ihrem Führer und dessen alten Neonazi-Kameraden gibt es in der FPÖ auch eine starke interne Gruppe, die mit rechtsextremen Burschenschaften verbandelt ist, und die von einem Deutschen Reich auf der Grundlage der “Arischen Volksgemeinschaft” träumen, der mythischen Nazi-Gemeinschaft. Das ist eine extrem antisemitische Ideologie. Viele ihrer Anhänger glauben auch, dass die EU unfähig ist, Europas Grenzen gegen die Horden von Migranten und Flüchtlinge zu schützen. Deshalb sollen österreichische Soldaten den österreichischen Boden gegen vermeintliche Eindringlinge schützen. Als Konsequenz daraus will Österreichs neue ÖVP-FPÖ-Koalition das Verteidigungsbudget verdoppeln. Das wird deren militaristische und chauvinistische Ideologie in militärisches Material umsetzen, bereit dazu, Männer, Frauen und Kinder an Österreichs Grenzen zu bekämpfen. FPÖ-Frontfrau Anneliese Kitzmüller stimmt dem mit dem freudestrahlenden Ausruf “Heil Umzug” zu – einem Umzug in eine führende Position in Österreichs neue Koalitionsregierung. “Sieg Heil” ist offensichtlicher Nazi-Jargon. Kitzmüller hat das “Heil” der Nazis mit dem Plan des Umzugs in eine hochbezahlte Position in Österreichs Staatsapparat verbunden. Kitzmüller, die Weihnachten am liebsten durch ein Fest des Germanenmythos' ersetzt sehen möchte, glaubt auch, dass Österreichs Grenzen beschützt werden müssen, weil sonst Flüchtlingskinder Österreichs Kindergärten überfluten.
Die neue ÖVP-FPÖ-Koalition wird den Staatsapparat bereits mit ihren Anhängern durchdrungen vorfinden. Bereits während der vorherigen ÖVP-FPÖ-Koaltionsregierung (2000 bis 2005) war es der FPÖ möglich, den österreichischen Staat mit ihren Gefolgsmännern und -frauen zu infiltrieren. Während jener Jahre wurde Österreichs öffentliche Verwaltung tief von FPÖ-Apparatschiks durchdrungen, insbesondere in Institutionen der Wirtschaftsaufsicht sowie denjenigen, die für Gesundheit und Erziehung zuständig sind. Die Subversion der FPÖ erstreckt sich auch weit in Österreichs Polizei und Militär hinein – dem eher traditionellen Spielplatz der FPÖ. Ein Grossteil ihrer Übernahme wie aus dem Lehrbuch erfolgte mit geradezu stalinistischer Präzission. Die FPÖ-Kader haben nicht nur den österreichischen Staat unterwandert, sondern sie glauben auch an irrationale Verschwörungstheorien – ein durchaus übliches Thema in rechtsextremen Kreisen, das durch rechtsextreme Internet-Echokammern ie z.B. https://www.unzensuriert.at/ ständig verstärkt wird. Eine dieser sebst-verstärkenden Selbsttäuschungen ist der verrückte Glaube daran, dass ihr rechtsextremes Idol und, Wikipedia zufolge, “Anführer eines homoerotischen Männerclubs” – Jörg Haider – nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen sein soll, sondern angeblich vom Mossad ermordet wurde.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo Merkels etablierter Konservativismus “immer noch” (!) vor einer Koalitionsregierung mit den dortigen neuen Nazis, der “AfD”, zurückschreckt, ist Österreich bereits einen Schritt weiter. Österreichs Führungsschicht sieht die FPÖ nicht als Nazis sondern als legitime politische Partei an. Trotzdem weist Österreichs FPÖ, genau wie Deutschlands “AfD”, glasklare Nazi-Tendenzen auf. Da es die Konzernmedien des Mainstreams vermeiden, die Dinge beim Namen zu nennen, tragen sie unbeabsichtigt oder vorsätzlich dazu bei, Deutschlands Nazismus und Österreichs Austrofaschismus zu legitimieren. Genau wie in den 1930ern machen auch heute Österreichs bürgerlich-konservative Parteien den Weg für verdeckte Naziparteien und den Aufstieg des Austrofaschismus frei. Heutigentags werden diese nur nicht Nazis genannt, sondern euphemistisch FPÖ oder “AfD”.
Der österreichisch-deutsche Faschismus unterschied sich immer und unterscheidet sich auch heute noch von anderen rechtsextremen Gruppierungen und selbsternannten verdeckten Nazis. Es waren der Austrofaschismus und der deutsche Nationalsozialismus, die Auschwitz möglich gemacht haben. Jahre-, wenn nicht jahrzehntelang haben die Presse, rechtsextreme Medienkommentatoren und konservative Parteien im Herzen Europas Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gepflegt, und insgeheim den Aufstieg der FPÖ in Österreich und der “AfD” in Deutschland unterstützt. Heute sind Europas neue Naziparteien in der Lage, das zu ernten, was jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang ausgesät wurde.
Das Land Österreich scheint nach den kürzlich erfolgten Wahlen nun auf dem Pfad hin zum verdeckten Austrofaschismus zu sein, der von der FPÖ befeuert wird. Mit dem vorsätzlich herbeigeführten Absterben erst des Eurokommunismus' und später dann der sozialdemokratischen Parteien ermöglicht die politische Landschaft nun nur noch die berüchtigte Wahl des “kleineren von zwei Übeln”. Es ist die herbei-manipulierte Wahl zwischen Neoliberalismus und Globalisierung einerseits, vertreten durch traditionell konservativen Parteien, und fremdenfeindlichem Nationalismus andererseits, vertreten durch neue Neonazi-Parteien. So sieht 2018 die Realität in Zentraleuropa aus.
Der Durchmarsch des Chauvinismus' in Österreichs staatlichen Institutionen beinhaltet die klassisch-nationalistische Forderung der FPÖ, internationale Organisationen zu verlassen, was insbesondere auf jene Institutionen abzielt, die Menschenrechten verpflichtet sind. Das beinhaltet nicht nur den Plan, die Europäische Menschenrechtskonvention zu verlassen, sondern auch die Menschenrechtskonventionen der UNO. Dieser Plan existiert trotz der Tatsache, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich Verfassungsrang besitzt. Schon bald könnte ihr Schutz durch die Verfassung beseitigt sein. Österreichs neue FPÖ-ÖVP-Koalition plant bereits, sich mit Österreichs Neoliberalen – den “Neos” – zu verbünden, die derzeit 5.3% erreichen. Zusammen mit den 31.5% und den 26% der Koalition würde das die notwendige Zweidrittelmehrheit und damit die Möglichkeit, Österreichs Verfassung zu ändern, ergeben. Damit könnte eines der Kernziele des Austrofaschismus' Wirklichkeit werden.
Für viele innerhalb des austrofaschistischen Lagers sind Menschenrechte einem Land völlig fremd, das auf den Ideen der Heimat, des Nationalismus', der Rasse, von “Blut und Boden” wie auch der lang ersehnten “Volksgemeinschaft” basieren soll. In der “Volksgemeinschaft” entscheiden die Faschisten anhand Deiner völkisch-“arischen” Zugehörigkeit der österreichisch-germanischen Gemeinschaft des “reinen Blutes” für Dich, wo Dein Platz in ihrer Gesellschaft ist. Dagegen werden Menschenrechte von jenen, die glauben, ihr Leben sei von Kräften des Nationalen (Bodens) und der “Rasse” (des Blutes) bestimmt, als schlichtweg irrelevant angesehen. Heute ist die österreichische Heimatpartei die Partei FPÖ.
Wirft man einen Blick auf das Parteiprogramm der FPÖ, so ergibt sich ein völlig anderes Bild von der “Volksgemeinschaft” der faschistischen Utopie. Was hier aufgefahren wird, ist eine gekonnte Mischung von Nationalismus und Neoliberalismus. Dies beinhaltet das traditionelle ideologische Programm des österreichisch-ungarischen Demagogen, Aristokraten und Pinochet-Unterstützer Friedrich August von Hayek. Das Programm weist entsprechend altbekannte Elemente des Abbaus des Staates, der Steuersenkungen für Reiche und Konzerne, des Sozialabbaus, des Bekämpfens von Gewerkschaften und so weiter auf. Die FPÖ verkauft ihr Parteiprogramm als eine “Optimierung” von Österreichs Sozialstaat, und zielt dabei auf die Armen und die trügerischen “Anderen”.
Traditionell gingen Nazismus, Faschismus und Austrofaschismus rücksichtslos, gewwalttätig, brutal und zumeist auch regelrecht sadistisch gegen die “Anderen” vor – gegen die Linke, gegen Sozialdemokraten, gegen Kommunisten, gegen Gewerkschaften und so weiter. Auf lange Sicht beinahltet der Austrofaschismus der FPÖ auch den Kampf gegen die Tarifverträge, die zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern vereinbart wurden. Derzeit sind etwa 98% aller österreichischen Arbeiter und Angestellten tariflich geschützt. Seit langem jedoch suchen die österreichischen Arbeitgeber, das zu hintertreiben. Eine nun neu ermächtigte austrofaschistische Partei wird das sicherlich unterstützen. Austrofaschismus und Kapitalismus sind schliesslich beides Widerspiegelungen dessen, was der Philosoph Horkheimer 1939 mit den Worten beschrieb: “Wenn Du nicht über den Kapitalismus sprechen möchtest, dann solltest Du zum Faschismus besser schweigen.” In seiner Unterstützung des Kapitalismus' beinhaltet das Parteiprogramm der FPÖ entsprechend auch keine Forderung nach einem Mindestlohn. Warum auch? Die antisemitische “Volksgemeinschaft” wird sich um diejenigen schon kümmern, die der Kapitalismus nicht braucht. Zum Faschismus gehören immer auch Arbeitslager.
(Übersetzung des englischsprachigen Originals von Thomas Klikauer auf https://www.counterpunch.org)