Lagerleben in Deutschland: Offener Brief einiger Frauen aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis
Wir leben in einem alleinstehenden Wohnhaus, 2 km von dem Ort Breitenworbis entfernt. Nebenan befindet sich eine stinkende Kläranlage sowie eine Mastanlage, was das Wohnen besonders im Sommer unerträglich macht. 120 Menschen – Familien und Alleinstehende - müssen sich wenige Toiletten, Duschen und Küchen teilen. Um einzukaufen, zum Arzt, zur Schule oder zum Kindergarten zu gelangen, müssen wir mehrere Kilometer zu Fuß auf einer unbeleuchteten Straße laufen. Eine Bushaltestelle gibt es nur im Ort.
Wir fühlen uns von der Gesellschaft isoliert und ausgegrenzt. Besonders für Frauen, die krank sind und schlecht laufen können sowie Mütter mit kleinen Kindern ist dieses Leben unerträglich. Hinzu kommt, dass wir mit unseren Problemen nicht ernst genommen werden.
Einmal, als es einer alten Frau sehr schlecht gegangen ist, sind die Frauen, die sich um sie gekümmert haben, zum Hausmeister vor Ort gegangen, um einen Taxischein zum Arzt zu bekommen oder zu fragen, ob sie jemand mit dem Auto mitnehmen kann. Die Frau schaffte es selbst nicht mehr zum Arzt. Da wurde uns gesagt, da würde doch ein Einkaufswagen stehen, da könnten wir die Frau doch reinsetzen und zum Arzt schieben. Diese absolut demütigende und herablassende Umgehensweise erleben wir als sehr belastend und macht uns wütend.
Katastrophal ist die ärztliche Versorgung. Es steht uns nur eine Arzt zur Verfügung, der alles mit den selben Medikamenten behandelt - Paracetamol, Magenmittel und Beruhigungsmittel. Wir können uns mit ihm auch nicht richtig verständigen. Außerdem werden wir nicht richtig darüber informiert, welche Hilfe ( z.B FachärztInnen oder PhysiotherapeutInnen...) wir noch in Anspruch nehmen können. Obwohl wir ein Recht auf freie Arztwahl haben, wird uns dies vom Sozialamt verwehrt. Sie behaupten, sie hätten einen Vertrag mit diesem Arzt und deswegen müssten alle dort hin und der Krankenschein wird nur für diesen Arzt ausgestellt. Wenn wir doch Mal eine Überweisung zum Facharzt bekommen, ist der Weg sehr weit und wir müssen die Fahrtkosten selbst bezahlen. Erst wenn es ganz schlimm ist und andere einer helfen sich zu beschweren, können wir den Krankenwagen rufen, der uns ins Krankenhaus bringt. Einmal hat sich sogar ein Arzt aus dem Krankenhaus über die schlechte Behandlung beschwert, aber auch das hat nichts bewirkt.
Viele von uns brauchen dringend auch psychologische Hilfe, wegen dem was wir schon im Heimatland erlebt haben und jetzt kommt die Isolation hier dazu. Wir bekommen in dieser Hinsicht aber keinerlei Unterstützung und wir können uns auch nicht selbst informieren, weil alles zu weit weg ist.
Auch unsere Kinder leiden sehr unter dieser Lebenssituation und wir machen uns große Sorgen um sie. Einige Kinder haben immer noch keinen Kindergartenplatz, wo sie was lernen und mit anderen Kindern spielen können. Der Kinderraum im Lager ist meist zugeschlossen. Wir wollen, dass unsere Kinder deutsch lernen und in einen richtigen Kindergarten mit ausgebildeten ErzieherInnen gehen. Gute Bildung für unsere Kinder ist uns sehr wichtig.
Einige von uns hält nur noch die Tatsache am Leben, dass sie die Verantwortung für die Kinder haben. So verzweifelt sind sie oft. Die Kinder sollten doch Ruhe haben, das war das Ziel der Flucht. Jetzt sind sie in diesem Loch gelandet, in diesem Lager, wie in einem Gefängnis.
Es gibt im Lager aktuell für alle Frauen nur 3 funktionierende Duschen und so müssen wir oft anstehen. Außerdem ist es so, dass es nur morgens und abends jeweils für 2 Stunden warmes Wasser gibt. Das ist besonders für Frauen mit kleinen Kindern und die kranken Frauen schwierig, die dann auch anstehen müssen oder kalt duschen. Weil sich die Duschen im Keller befinden, ist das zusätzlich problematisch, wenn Frauen mehrere Kinder haben und dann weit weg von den Räumen sind, wo sich die anderen Kinder aufhalten.
Unsere Wäsche dürfen wir nicht selber waschen. Wir müssen sie der angestellten Wäschefrau bringen, die dann regelmäßig wäscht. Dafür müssen wir zahlen, auch wenn wir lieber selber waschen wollen, aber die Wahl wird uns nicht gelassen.
Pro Etage gibt es nur eine Küche für jeweils 40 Menschen, aber nur eine Küche im ganzen Haus hat funktionierende Herde. Das bedeutet, dass dort alle Menschen aus dem Lager kochen. Die hygienischen Bedingungen in den Küchen und den Duschen sind so schlimm, dass es im Lager sowohl Ungeziefer als auch Mäuse gibt. Im Winter funktionieren die Heizungen nicht immer gut, so dass die Räume zu kalt sind.
Sobald wir nicht machen, was der Hausmeister sagt, droht er damit, die Polizei zu rufen. Die Polizei kommt dann zwar nicht aber viele haben Angst davor und machen deshalb, was der Hausmeister sagt, auch wenn es nicht in Ordnung ist.
Schon lange beschweren wir uns über diese schrecklichen Zustände im Lager aber wir wurden nicht ernst genommen und über unser Anliegen nach einer eigenen Wohnung wurde sich lustig gemacht. Das Einzige, was sich bisher geändert hat, ist, das einige Wände neu gestrichen wurden. Das ändert aber nichts an unserem Leben in der Isolation. Ein schönes Gefängnis bleibt ein Gefängnis!
Wir wollen hier raus, wir wollen selbstbestimmt in Wohnungen leben. Wir wollen selber entscheiden wo wir wohnen. und wir wollen endlich ein Aufenthaltsrecht bekommen.
Frauen aus dem Flüchtlingslager Breitenworbis
(Quelle: The VOICE Refugee Forum Germany)