FSK B

>b's weblog

News. Journal. Whatever.

Tja, Ansgar Heveling…Entwürdigende Entscheidungsfindung – Europa schafft sich ab

Liebe Heike Göbel

Deinem flammenden Plädoyer für den Kapitalismus kann ich nur insofern zustimmen, wie Du die Heuchelei der Nutzniesser dieses Systems in Davos anprangerst. Sonst aber scheinst Du den Kern des Problems gar nicht erfasst zu haben. Denn Du singst immer noch, mitten in der Krise, das Lied des Homo oeconomicus. Ein naiver Märchen-Glaube, der gerade der Weltwirtschaft das Genick bricht.

Denn keinesfalls der ungezügelte Kapitalismus oder gar ordoliberale Ideologie sorgen dafür, dass wirtschaftlicher Wohlstand irgend jemand anderen erreicht als die Blender, Zocker und Abzocker. Und leider ist schon Deine Vermutung falsch, dass primär in Geschäfte investiert werde, in denen der grösste Ertrag, also der grösste Nutzen zu vermuten ist. In Wirklichkeit wird nämlich das Geld von den Zockern so verwandt, dass der persönliche Profit am höchsten, das persönliche Risiko am kleinsten ist. Und das ist etwas völlig anderes.

Wenn Private Equity Fonds Unternehmen filetieren, zum grössten Teil mit ihren eigenen Schulden kaufen, dann die Filetstücke verhökern und zuletzt das Unternehmen selbst pleite gehen lassen, so folgen sie strikt kapitalistischen Grundregeln. Dabei vernichten sie massiv Kapital, sie vernichten die Zukunft gutgehender Unternehmen, aber sie erwirtschaften eben auch einen enormen Profit für Ihren Fonds.

Wenn Fonds Holzhütten mit Wellblechdach im mittleren Westen für $100,000 das Stück kaufen, und für $200,000 an einen befreundeten Fonds weiterverkaufen, um sie dann für $300,000 zurück zu kaufen, und die Bank da jeweils 90% davon finanziert, so folgen auch diese Fond-Manager den kapitalistischen Grundregeln, genau wie die Bank-Manager, die diese Deals so finanzieren. Denn ihr persönlicher Profit in Sachen Provision und Bonuszahlung ist so am höchsten. Das gilt nicht trotz sondern gerade wegen der Tatsache, dass diese Holzhütten Leuten gehören, die keine $10,000 bezahlen können, aber 100% als Kredit von der Bank aufgrund staatlicher Förderprogramme bekommen haben. Und es gilt insbesondere, wenn diese Verträge wiederum in geschlossenen Fonds gebündelt werden, die Optionen auf Anteilsscheine herausgeben, die wiederum in Fonds gehandelt werden, auf die man dann Futures erwerben kann. Und dann werden gar nicht die Holzhütten gehandelt, sondern lieber die Futures. Die haben ja auch eine wesentlich höhere Volatilität, und niemand sieht mehr, dass dahinter Holzhütten sind.

Kurz: liebe Heike, ich fürchte, Du weisst nicht, wovon Du sprichst.

Die grossen Personen der erfolgreichen Marktwirtschaft in der Geschichte wussten es dagegen alle. Es war Franklin D. Roosevelt, der die USA nach der Krise 1929 zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt entwickelte. Und wie hat er das gemacht? Indem er die Märkte endlich völlig entfesselte, die Staaten mit ihren Schulden entmachtete? Ganz im Gegenteil.

Sein Regierungsprogramm, das letztlich wohl auch den Kriegsgegnern Deutschland und Japan im zweiten Weltkrieg das Genick gebrochen hat, sein beispielloser volkswirtschaftlicher Erfolg basierte auf dem, was er New Deal nannte. Hier mal ein paar Auszüge:

Den Namen hat sein Programm übrigens von der Tatsache, dass er als Notfallmassnahme zunächst den privaten Besitz von Gold und Silber verbot, und diese Metalle einzog.

Wir reden hier über den 32. Präsidenten der Vereinigten Staaten, und ich kann nur sagen, auch der 44. täte gut daran, seinem Beispiel zu folgen.

Wer hatte in Deutschland grossen Erfolg mit der Marktwirtschaft? Es war Ludwig Erhard. Nur was seine Soziale Marktwirtschaft eigentlich bedeutet, davon ist in der dazu im krassen Gegensatz stehenden “Neuen Sozialen Marktwirtschaft” keine Rede mehr. Aber lassen wir den Vater des Wirtschaftswunders selbst zu Wort kommen:

So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag. Am Ausgangspunkt stand der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden. Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. Die Neugestaltung unserer Wirtschaftsordnung mußte also die Voraussetzung dafür schaffen, daß dieser einer fortschrittlichen Entwicklung entgegenstehende Zustand und damit zugleich auch endlich das Ressentiment zwischen »arm« und »reich« überwunden werden konnten. Ich habe keinerlei Anlaß, weder die materielle noch die sittliche Grundlage meiner Bemühungen mittlerweile zu verleugnen. Sie bestimmt heute wie damals mein Denken und Handeln.

(Ludwig Erhard, “Wohlstand für Alle”, 1957, Volltext)

Das sind Männer, die mit ihren Marktwirtschaftlichen Konzepten einen Riesenerfolg hatten. Und jetzt rate mal, wo das Problem auch in dieser Krise wieder liegt.

publiziert Mon, 30 Jan 2012 18:30:18 +0100 #finanzkrise #kommentar

Zurück zum Blogindex