Was ging der Marktwirtschaft verloren, dass sie nicht mehr glaubwürdig ist?
Die Weltwirtschaft steckt tief in der Krise. Man muss feststellen, das System ist pervertiert – die Grundregeln der liberalen Marktwirtschaft, nämlich dass nur besteht, was sich rechnet, dass freie Unternehmungen sich selber tragen müssen oder vom Markt verschwinden, sind ausser Kraft gesetzt. Massiv greifen die Staaten ein, “retten” erst Grossunternehmen wie General Motors, dann Banken und Finanzinstitute, die zuvor jahrelang in allererster Linie das hohe Lied der freien Wirtschaft gesungen haben.
Aber in dieser Diskussion darf nicht vergessen werden, dass auch der von seinen Gegnern so genannte Kapitalismus ein Heilsversprechen für die Menschen zu bieten hatte, die in ihm leben: es ist der Traum, dass jeder eine Chance bekommt und diese nutzen kann, wenn er nur tüchtig und fleissig genug ist. Und es ist zuallererst der Nichteinlösung dieses Versprechens zu verdanken, dass unser Wirtschaftssystem jetzt wieder derart in Frage gestellt wird. Denn nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten, die in der “westlichen Welt” als kommunistisch bezeichnet wurden, dachten zunächst viele, der Kapitalismus habe sich eben durchgesetzt.
In Wirklichkeit aber kann die “freie Marktwirtschaft” ihre Heilsversprechen nur einhalten, ja sie kann überhaupt nur dann auf Dauer stabil funktionieren, wenn sie durch soziale Ideen ergänzt wird. Das hören heute im Zeitalter des Ordoliberalismus viele nicht mehr gerne, aber es darf wohl als historische Wahrheit gelten. Denn schaut man sich marktwirtschaftliche Systeme an während sie funktionierten, so war immer genau das der Fall: und zwar völlig unabhängig davon, ob wir über den skandinavischen Sozialismus der dortigen Sozialdemokraten reden oder beispielsweise über die deutsche Soziale Marktwirtschaft. Ja sogar in den USA wurde mit dem New Deal massiv auch auf soziale Belange Rücksicht genommen. Gerade diese Kombination aus Sozialem und Marktwirtschaft ermöglichte den Aufstieg und das Prosperieren (nicht nur) der genannten Volkswirtschaften.
Will die Marktwirtschaft, will der Kapitalismus aus der Krise finden, so benötigt er zuallererst diese Einsicht. Ich kann nur hoffen, in Davos kommt irgendjemand auf die Idee, mal nach den Gründen für den grossen Erfolg z.B. eines Ludwig Erhard zu fragen. Aber wahrscheinlich ist das nur Merkels grosse Plattform, und die Krise geht weiter.