Die Wahrheit kann nicht warten
Daniel Ellsberg war Militärexperte unter Verteidigungsminister Robert McNamara und spielte 1971 der Presse geheime Dokumente, die so genannten Pentagon Papers, zu, aus denen hervorging, dass der Waffengang gegen Vietnam von langer Hand geplant war. Die gesamten Dokumente wurden nun erst 40 Jahre später an diesem Montag durch das Nationalarchiv öffentlich zugänglich gemacht.
Der Freitag hat einen Artikel von Ellsberg. Darin schreibt dieser:
Ich habe lange Zeit bereut, dass es mir im August 1964 nicht einmal in den Sinn gekommen ist, die Dokumente zu veröffentlichen, die sich in meinem Safe im Pentagon befanden, um die Behauptung eines „eindeutigen, nicht provozierten“ Angriffs auf unsere Zerstörer im Golf von Tonkin als Lüge zu entlarven, der ein Vorläufer der „über jeden Zweifel erhabenen Beweise“ für inexistente Massenvernichtungswaffen im Irak war, mit denen der Kongress einmal mehr dahingehend manipuliert wurde, die genaue Entsprechung zur Tonkin-Resolution zu verabschieden.
Senator Morse – einer der beiden Senatoren, die gegen diesen verfassungswidrigen und unbefristeten Blankocheque für einen präsidialen Krieg gestimmt hatten – sagte mir, die Resolution wäre nie verabschiedet worden, wenn ich ihm diese Beweise bereits 1964 zur Verfügung gestellt hätte und nicht erst 1969, als ich sie letztlich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten aushändigte, in dem wir beiden zusammenarbeiteten: „Die Tonkin-Resolution hätte niemals den Ausschuss verlassen, und wenn sie zur Abstimmung gebracht worden wäre, wäre sie abgelehnt worden.“
Ich habe damit eine schwere Last zu tragen: Hätten ich oder ein anderer, der Zugang zu den gleichen Informationen hatte, nach unserem Amtseid gehandelt – der kein Eid war, dem Präsidenten zu gehorchen, oder Stillschweigen darüber zu bewahren, dass er seine eigenen Verpflichtungen verletzt, sondern ein Schwur „die Verfassung der Vereinigten Staaten zu stärken und zu verteidigen“, hätte dieser schreckliche Kriege möglicherweise vollständig verhindert werden können. Dafür hätten wir die Dokumente aber rechtzeitig veröffentlichen müssen, bevor der Konflikt eskalierte – nicht erst fünf, sieben, ja nicht einmal zwei Jahre, nachdem der unheilvolle Einsatz beschlossen wurde.