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Sarin in SyrienGenfer Gespräche III: “Reden ist besser als Krieg führen”

Da mein längerer Kommentar bei den ScienceBlogs zum “Verschwörungspaper” seit einiger Zeit “moderiert” wird, poste ich ihn hier

Es geht um diesen Blogartikel von Jürgen Schönstein, ich hatte hiermit über Thomas Steinschneiders Verriss berichtet. Hier mein Kommentar zu Schönsteins Artikel:

Da wir hier in einem Wissenschaftsblog diskutieren, möchte ich den Thesen, man könne über Wahrscheinlichkeiten des “Auffliegens” von Verschwörungen so einfach sprechen, etwas entgegen setzen.

Tatsächlich glauben erstaunlich viele Leute völligen Quark. Dazu zählen durchaus Behauptungen wie die einer “Mondlandungslüge” oder von “Echsenmenschen” (und was es sonst noch so alles an Internet-Märchen gibt). Das Phänomen, dass so viele Leute Blödsinn glauben, beinhaltet auch den Glauben an eine Jungfrauengeburt oder daran, dass Engel im Himmel wohnen. Alle solchen irrationalen Vorstellungen sind gleichermassen absurd. Trotzdem werden sie geglaubt.

Absurd da evidenzwidrig ist jedoch auch der Glaube an Regierungsdarstellungen zu Kriegsgründen, die mit Geheimdienstberichten begründet werden. Es liegt nun wahrlich tonnenweise Evidenz vor (und einige hatte ich hier bereits verlinkt), dass es sich bei solchen Darstellungen so gut wie immer um Propaganda-Lügen handelt. Dabei ist fast unerheblich, um welche Regierung es geht, oder um welchen Krieg. Wenn man hier etwas feststellen kann, dann höchstens die Tatsache, dass solche Lügen praktisch immer für notwendig oder zumindest hilfreich gehalten werden, Menschen in einen Krieg zu locken. Die Aufarbeitung solcher Kriegslügen ist jedoch immer sehr schwierig, denn mächtige Leute verstehen es nun einmal, ihre Interessen zu vertreten. Nicht anders geht es mit Geheimdienstgeschichten anderer Art: Fälle wie der von MKULTRA zeigen zudem, dass Schaden an Leib und Leben Unschuldiger für Geheimdienste und Regierungen oft keinerlei Rolle spielen. Der Irakkrieg hat beispielsweise ca. einer Million Menschen das Leben gekostet.

Und darin unterscheidet sich der sogenannte “War on Terror” überhaupt nicht von anderen Fällen. Der erste, scheinbar von einer unabhängigen Kommission erstellte Untersuchungsbericht enthält völligen Quatsch. Er ist so unsinnig wie die hier angesprochene Pseudowissenschaft, und wird von einem Ex-Kommissionsmitglied als “Coverup” bezeichnet, das dann auch konsequenterweise die Untersuchungskommission verlassen hat. Der zweite Untersuchungsbericht stammt von der interessierten Partei selbst: der US-Regierung. Beim “National Institute of Standards and Technology” handelt es sich nämlich um eine nachgeordnete Behörde des US-Handelsministeriums. Diese Behörde ist unter anderem dadurch unangenehm aufgefallen, dass ihr im Rahmen der Snowden-Veröffentlichungen nachgewiesen wurde, im Falle kryptografischer Normen entweder absichtlich mit Geheimdiensten zur Normierung von Algorithmen mit Hintertüren konspiriert zu haben, oder sich selbst von Geheimdiensten an der Nase herumführen zu lassen – kurz: völlig inkompetent oder aber unterwandert zu sein.

Dieser NIST-Bericht ist das einzige, was bisher die Darstellung der US-Regierung zu 9/11 “belegt”. Es gibt keinen weiteren Bericht, der es substantiell wert wäre, diskutiert zu werden. Der NIST-Bericht selbst strotzt jedoch nur so vor mutigen Behauptungen. Die Erklärung, der exakt wie eine Abbruchsprengung verlaufende und erscheinende Zusammenbruch des Salomon-Brothers-Buildings sei durch einen Brand auf einem der unteren Stockwerke verursacht, ist wohl bisher einmalig in ihrer Argumentation.

Rational wäre es, hier erst einmal eine Geheimdienstlüge zu unterstellen – so wie sie bei fast allen anderen Kriegen tatsächlich auch vorliegt. Stattdessen wird jedoch jeder, der auch nur öffentlich Zweifel an einer solchen ins Absurde gehenden Darstellung äussert, sofort mit einem der modernen Kampfbegriffe für Ketzer belegt: man sei ein “Truther” und “Verschwörungstheoretiker”.

Bei solchen Kampfbegriffen handelt es sich um gängige Rhetorik, die dazu benutzt wird, einen Diskurs gar nicht erst zuzulassen. Das ist Ketzern und Häretikern aller Art in der Geschichte ja nie anders gegangen: wer öffentlich Zweifel am Narrativ der Macht äussert, lernt ihre Deutungshoheit zu spüren.

Man sollte sich jedoch wenigstens in einem wissenschaftlichen Umfeld mit dem Vorwurf der Ketzerei besser zurückhalten. Wem es zu gefährlich für die eigene Karriere ist, über Dinge zu sprechen, die aktiven Regierungen missfallen, der kann sich aus einem Thema ja auch einfach heraushalten. Andere jedoch zum Zwecke von Gehorsams- und Konformitätsnachweisen dann diskursiv zu unterdrücken, sollte eigentlich in einer Diskussion der Redlichkeit wegen nicht vorkommen.

Genau eine solche Unterdrückung strebt das hier diskutierte Paper offensichtlich an: mit der Brechstange soll “nachgewiesen” werden, dass nicht sein kann was nicht sein darf. Vom Niveau her haben wir es hier mit einer “Argumentation” einer päpstlichen Kommission zur Untersuchung von Hexerei zu tun.

Es ist armselig.

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