“Ein Aufruf und ein Gegenaufruf machen deutlich, wie zerrissen die Eliten in Deutschland über ihr Verhältnis zu Russland sind”
Die beiden Aufrufe werden nicht die Massen erreichen, sie machen aber deutlich, dass man innerhalb der gesellschaftlichen Eliten zur Zeit über die Haltung zu Russland streitet. Dass es dabei nicht um so hehre Ziele wie Demokratie und Menschenrechte geht, dafür aber um so mehr um wirtschaftliche und geldpolitische Interessen wird in beiden Aufrufen nicht erwähnt.
Den Kommentar von Peter Nowak gibt's hier. Ich teile diese Sichtweise nicht. Es ist zwar sicher richtig, dass der Aufruf der 60 zum Frieden von denen mitgetragen wird, die vom Frieden wirtschaftlich profitieren. Auch ist richtig, dass der Aufruf zum Krieg der 100 von denen mitgetragen wird, die von der Spannung profitieren. Das alleine erklärt jedoch die Sache nicht.
Denn schaut man auf die 60, so wird man feststellen, dass hier eine kunterbunte Mischung von Personen antritt; viele sind Personen, die ihre aktive politische Rolle hinter sich haben wie Gerhard Schröder oder Antje Vollmer. Schaut man auf die 100, so ist das nicht so, dass hier aktive Politiker eine überwiegende Rolle spielen – stattdessen sind es genau die Vertreter der atlantischen Netzwerke; sprich: die Partner der USA. Es stehen hier also im Wesentlichen Leute der noch unabhängigen europäischen Eliten gegen die von den USA abhängigen Atlantiker.
Und schaut man sich die Aufrufe an, wird man feststellen: der Aufruf der 60 ist nicht einseitig, denn er kritisiert Russland hart, aber eben nicht nur Russland. Der Aufruf der 100 ist einseitig, denn er schiebt Russland die Alleinschuld an den Spannungen zu. Und letzteres widerspricht den Fakten, denn es unterschlägt die Beteiligungen der Nazis am Putsch in der Ukraine, und es unterschlägt die offensichtliche massive Einflussnahme, ja Machtübernahme der USA in der Ukraine. Auch unterschlägt es völlig die Ausdehnung der NATO über nunmehr fast ganz Osteuropa, während dessen sich Russland objektiv nicht ausgedehnt hat – der Vorwurf des Imperialismus an Russland ist also wahrheitswidrig.
Insofern werte ich den Aufruf der 60 als Friedensmahnung, den der 100 jedoch als Antwort der US-abhängigen, atlantischen Kriegstreiber darauf.