“Demokratisierung ist eher ein Kollateralnutzen” – Die Politikwissenschaftlerin Mária Huber über die US-Einflussnahme in der Ukraine
Mária Huber, gebürtige Ungarin, ist emeritierte Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Leipzig. Sie lehrte Internationale Beziehungen mit den Schwerpunkten Osteuropa und Ost-West-Beziehungen. Von 1988 bis 1994 schrieb sie als Journalistin aus Moskau für die “Weltwoche” und “Die Zeit”. Nach der Orangenen Revolution in der Ukraine 2004 erörterte sie in Fachaufsätzen die US-Strategien in der Ukraine und die Hintergründe des Demokratieexports.
Das Interview auf Telepolis führt Uwe Krüger. Daraus:
Kommen wir noch einmal zur großen Strategie und ihren Hintergründen. Was weiß man darüber sicher?
Mária Huber: 2004 erschien in den offiziösen Fachzeitschriften “Internationale Politik” und “Policy Review” ein Aufsatz darüber, welche Strategie die Nato im Schwarzmeer-Raum verfolgen solle. Dort wurde die Integration der Ukraine in die Nato und die EU als Ziel genannt, mit der Begründung, dies sei gut für die Sicherheit und den Wohlstand des Westens. Man wünschte sich auch einen “Energiekorridor, der das transatlantische System mit den Energievorräten des Kaspischen Raumes und mit den zentralasiatischen Staaten verbindet”. Wenig später, auf dem Nato-Gipfel in Istanbul Ende Juni 2004, bestätigte der Nato-Rat offiziell die Wichtigkeit der Schwarzmeer-Region.
Man muss sehen, wer dieses Plädoyer verfasst hat: der Ex-Diplomat Ronald D. Asmus, damals leitender Mitarbeiter des German Marshall Fund of the United States, und Bruce P. Jackson, ehemaliger Vizepräsident des US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin. Jackson hat insgesamt die Nato-Osterweiterung sehr stark gefördert und hat auch eigens dafür eine Lobbygruppe namens U.S. Committee on NATO gegründet. Er sprach immer viel von Werten, aber kaum davon, dass die Nato auch deshalb erweitert werden sollte, weil in den 1990er Jahren die Rüstungsausgaben der westlichen Staaten sanken und die Rüstungsfirmen ihren Exportmarkt erweitern wollten. Das ist das Praktisch-Pragmatische. Aber es geht grundsätzlich um Geopolitik, Einflusszonen.
Eine Geopolitik, die gegen Russland gerichtet ist?
Mária Huber: Es geht darum, Russland zu isolieren. Die Anfänge reichen ins Jahr 1993 zurück. Damals war USAID schon in der Ukraine tätig, und der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński hat ein American-Ukrainian Advisory Committee gegründet, um Lobbyarbeit zu machen und die Ukraine zu unterstützen. Mit der erklärten Begründung, dass ohne die Ukraine Russland nicht erstarken könne.
Passend: “Die Welt als Schachbrett - Der neue Kalte Krieg des Obama-Beraters Zbigniew Brzezinski”.