Drei Kreise des Abgrunds
Drei sensationelle Vorfälle passierten zwischen dem 11. und 23. Mai 1960: der Gipfel der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges in Paris am 16. Mai, auf dem Kremlchef Nikita Chruschtschow die atomare Abrüstung und die Wiedervereinigung eines neutralen Deutschlands vorschlagen wollte; das Mega-Erdbeben am 22. Mai in Chile, bei dem die Erdkruste auf tausend Kilometern aufbrach sowie das Auftauchen des gefangenen SS-Offiziers Adolf Eichmann in Israel am folgenden Tag. Drei Ereignisse, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hatten. Die langjährige Auslandskorrespondentin Gaby Weber stieß bei ihrer Recherche auf den kausalen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen, den drei Kreisen nahe am Abgrund. Zweimal verklagte sie den Bundesnachrichtendienst sowie das Bundeskanzleramt auf Akteneinsicht. In das Historische Archiv der Deutschen Bank, in dem sie die Unterlagen über die israelische Atombombe fand, gelangte sie nur über den Gerichtsweg.
Laut offizieller Geschichtsschreibung war die Sowjetunion für die deutsche Teilung und das Wettrüsten verantwortlich. Doch es war die Eisenhower-Administration, die im Mai 1960 mit Provokationen den sowjetischen Vorschlag eines Atomwaffen-Stopps und ein Ende des Kalten Krieges verhinderte. Sie wollte den jungen Bonner Staat als Bollwerk gegen den Kommunismus wieder „kriegstüchtig“ machen. Sie störte sich nicht daran, dass Bundeskanzler Konrad Adenauer und seine rechte Hand Hans Globke (Kommentator der Nürnberger Rassengesetze) die israelische Atombombe finanziell und technologisch ermöglichten – vorbei an Parlament und Öffentlichkeit.