«Ich will mutig sein»
Über die Folgen der Pandemie für den etablierten Kulturbetrieb und die alternative Szene, über neue Sendeformate und alte Feinde. Ein Gespräch mit Serdar Somuncu
Wir sind sozusagen Teil eines großen Experiments, dessen Überschrift lautet: «Wie weit kann man eigentlich gehen?» Was passiert, wenn man die Leute dauerhaft Isolation aussetzt, sie ihrer Grundrechte beraubt und ihnen Restriktionen zumutet, von denen man nicht weiß, ob sie eher nützen oder eher schaden. Das Ergebnis ist, dass wir gerade alle feststellen, dass hier irgendwas kaputtgeht und wir nicht wissen, ob wir das irgendwann wieder erneuern oder heilen können oder ob das bleibt. Zweitens wird die öffentliche Debatte über richtig und falsch sehr stark über Zuordnungen oder Zugehörigkeiten gesteuert. Bestimmte politische Richtungen haben sich bestimmte Denkweisen angeeignet, und kein Dialog findet mehr zwischen beiden Richtungen statt, aber auch keine gemeinsame Anstrengung, Lösungen zu finden. Was bleibt, ist ein Entweder-Oder, ein Beschuldigen und Schwarzweißdenken, das wir davor schon hatten und das sich durch Corona noch verstärkt hat. Solche Ersatzdebatten, die die Frage verdecken, wie wir einen gesellschaftlichen Konsens finden können, der uns aus dieser Krise herausführt, führen dazu, dass sich die Situation verschärft, dass sich die Stimmung verdüstert und wir an den Rand der Hysterie geraten. Wir sind aber nicht nur hysterisch, sondern auch depressiv und mutlos, fast so, als wären wir schon von Corona infiziert.