Dokumentation über Irak-Krieg: Eines stolzen Landes Reise in die Nacht
Der perfekte Sturm: James Bluemels überragende Dokumentation rollt den Irak-Krieg aus der Bodenperspektive auf. Das ist faszinierend und erschütternd. Ein Antimärchen.
Stille kann entwaffnend sein. Wenn Rudy Reyes, ehemaliger Marine Recon der amerikanischen Armee, dessen Spezialeinheit im Jahr 2003 die Invasion des Iraks vorbereitete, gefragt wird, ob er glaube, sein Einsatz, den er später in der HBO-Serie „Generation Kill“ selbst nachspielte, habe sich, aufs Ganze gesehen, gelohnt, antwortet er knapp: „Ja, das hat es.“ Dann folgt die Stille. Der Mann mit der Rambo-Aura, der eben noch berichtet hatte, wie man ganze Familien („Opa, Mama und die Kinder“) an einem Checkpoint auslöschte, weil ihr Wagen an einem Warnschild vorübergefahren war – dass einige Iraker nicht lesen konnten, hatten niemand bedacht –, sieht zu Boden. Der Blick wandert nach innen, so ist das bei vielen der Interviewten hier: Auf einen Schlag sind sie wieder mitten im Krieg. Dann schiebt er nach: „Ich meine, es muss es wert gewesen sein. Was wäre denn die Alternative?“
Die Alternative wäre wohl, anzuerkennen, dass der Irak-Krieg nicht nur ein strategischer Fehler war, sondern eine Katastrophe mit Ansage, bei der westliche Ignoranz und Überheblichkeit eine entscheidende Rolle spielten. Als Befreier auftretend, ohne Verantwortung für das destabilisierte Land übernehmen zu wollen, riss man im Nahen Osten die Tore zur Hölle auf. Lieutenant Colonel Nate Sassaman, von 2003 bis 2004 ein führender amerikanischer Kommandeur im „sunnitischen Dreieck“, sagt es ganz direkt: „Wir haben dem IS den Boden bereitet. Wir waren das.“