Claudius Seidl setzt in der FAZ nun das Narrativ, weshalb mit dem Journalismus in Deutschland alles in bester Ordnung ist
Wer das Ausmaß des Schadens einigermaßen realistisch einschätzen will, der kann sich selber ja kurz fragen, welche Nachrichten, Meinungen, Hypothesen, Urteile zu den relevanten Themen in Politik, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft jetzt, da diese Fälschungen entlarvt sind, revidiert oder zumindest neu justiert werden müssen.
Die Antwort ist evident: Nichts muss revidiert werden; noch nicht einmal das Urteil über Relotius’ Reportagen.
Denn ganz egal, ob es um Donald Trump oder um die CDU geht, um den Bürgerkrieg im Nahen Osten, den Klimawandel, die deutsche Handelsbilanz oder die Bücher und Filme der Wintersaison: All das wird gewiss nicht in Preisträgerreportagen verhandelt. All das wird vermeldet, beschrieben, kommentiert, reflektiert oder auch rezensiert in journalistischen Texten, deren Qualität man eben auch daran erkennt, dass ihren Autoren beim Schreiben bewusst war, wie vorläufig, revidierbar, irrtumsanfällig die Reflexionen, Urteile, Meldungen sind. So betreibt man Journalismus; was es dafür braucht, ist, außer Haltung, Intelligenz und Sachverstand, vor allem Geistesgegenwart; dass es dafür keine Reportagepreise gibt, versteht sich fast von selbst.
Schöner Spin, nicht wahr? ;-) Plötzlich sind aus Relotius' Journalistenpreisen Reportagepreise geworden. Das ist natürlich etwas ganz anderes, nicht wahr? Alles in bester Ordnung!