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Das Ende der Pressefreiheit in den USA kommt nach langem Abstieg trotzdem als harter Schnitt

Die Qualitätsmedien haben ja ihre Probleme. Das Eine ist, wenn Konzernmedien in wenigen Händen sind, und gestreamlined alle dieselbe Haltung verbreiten. Es fehlt dann die innere Pressefreiheit für Journalisten, die in wesentlichen Punkten abweichende Meinungen vertreten. Das andere ist jedoch die äussere Pressefreiheit: die Freiheit für jedermann, am Pressespiel teilzunehmen und unabhängig aus einer anderen Sicht zu berichten als der Mainstream. Letztere ist nun in den USA gefallen, und steht in Folge in Russland aber auch in Europa auf dem Spiel.

Bei der inneren Pressefreiheit sieht es bekanntlich in den USA wie auch in Deutschland nicht gut aus. Mit der Konzentration der Medien, der Prekarisierung des Journalismus bis auf die gemästeten und in Machtzirkeln verhätschelten Alphajournalisten, mit der im Wortsinne Gleichschaltung der meisten Medien als “Printout der Agenturmeldungen von gestern” ist vielerorts so gut wie keine innere Pressefreiheit mehr gegeben.

Journalismus sieht heute oft so aus, dass man mit wenig bis keinem Budget ohne zu recherchieren eine Story runterrotzt zu einer möglichst aktuellen Sache, und sie dann ein- oder zweimal verkauft, womit sie zigfach verbreitet wird, übers Netz wie auch im Print. Die Zeilenhonorare dafür sind umgekehrt proportional gefallen zu der Anzahl der Kopien, für die man unterschreibt, die mit der Medienkonzentration gestiegen sind: ganze Bündel von Zeitungen gehören alle einem Verlag, der sie dann flächendeckend mit der Geschichte eindeckt, wobei der “freie” Journalist nur einmal bezahlt wird.

Damit man das als Freischaffender überlebt, werden gnadenlos Texte recyclet: dass die Wikipedia eine unerschöpfliche Quelle für Journalismus-Simulation ohne jede eigene Recherche ist, weiss in der Branche jeder. Es klingt hart, entspricht aber der Wahrheit, dass es noch tiefer im Niveau geht – und tatsächlich stellt nicht einmal dieser homöopathische Journalismus des Wikipedia-Kopierens das Gros der Berichte, sondern die Gleichschaltung am PR-Trog: meistens wird der genannten Art und Weise, zu journalistischen Texten zu kommen, der Agentur-Text vorgezogen. Doch die Agentur spart gleich. Die Volontärin bei der Presseerklärung reicht ihr oft, die den vom Veranstalter vorgefertigten “Pressetext” 1:1 übernimmt, so dass er in hunderten von Medien, deren fünf Besitzer alle bei derselben Agentur einkaufen, kopiert wird. Die Medien sind hier nicht mehr als die Distribution für die Ergüsse der PR-Ab­teilungen der Unternehmen, die sich noch echte Schreiber und Texte leisten – ver­fasst ganz im Sinne dieser Unternehmen, versteht sich. Jede kritische Betrachtung kann so im Vorfeld ausgeschlossen werden. Die PR geht hundertfach parallel aus allen Kanälen.

Bei dem Zustand könnte etwas Konkurrenz das Geschäft beleben. Neben unterschiedlichen Versuchen, journalistisches Arbeiten mit einem neuen Konzept wieder mehr oder minder seriös möglich zu machen von “Correctiv” bis Rubikon, sind es vor allem – neben den Konzernmedien und den Öffentlich-Rechtlichen von ARD bis BBC – Medien aus dem dritten Feld des klassischen Journalismus, die Medien der Staaten, die jeweils aufgrund der unterschiedlichen staatlichen Interessen noch abweichende Sichtweisen zu einem Thema liefern können. Es sind Medien wie die Deutsche Welle, die staatlicher Sender der Bundesrepublik Deutschland, Voice of America, die entsprechenden Staatssender der USA, wie auch RT als Sender Russlands, die in diese Kategorie fallen. Solche Staatssender sind natürlich ungeeignet, den jeweils eigenen Besitzer zu kritisieren, aber sie liefern hin und wieder durchaus ein interessantes Programm, wenn es um die Kritik ausserhalb ihrer eigenen Staaten geht.

Vergleicht man die Qualität der Berichterstattung dieses dritten, eben staatlichen Feldes des Journalismus' mit der Qualität des angeblichen Hortes der inneren Pressefreiheit im zweiten Feld bei den Öffentlich-Rechtlichen, so schneidet die Berichterstattung der Staatsmedien im Vergleich kaum mehr schlechter ab. Tatsächlich hat nämlich auch der ÖR allerorts Probleme: weniger dem wirtschaftlichen Druck unterworfen, ist trotzdem auch er von den jeweils herrschenden Eliten gestreamlined worden. Noch sind es die Berichte und Dokumentationen der Öffentlich-Rechtlichen von ARTE bis ZDF Info, die als letzte Bastion auch des investigativen Journalismus' kritische und tatsächlich unabhängige Berichterstattung liefern können. Aber auch bei der Produktion von eigentlich kritischen Beiträgen ist in die Redaktionen des ÖR ein Ungeist des unkritischen, PR-getriebenen neoliberalen Denkens eingezogen und wird immer stärker, gegen das Journalisten in den ÖR seit einiger Zeit ankämpfen müssen; die Gegenaufklärung tut was sie kann, um den ÖR auf Linie zu bringen.

Die Flagschiffe der ÖR jedoch sind längstens auf Linie gebracht: kritische Berichterstattung bei den zurecht als Hofberichterstattern verschrieenen öffentlich-rechtlichen Teilorganisationen von ARD Aktuell bis ZDF Heute zu erwarten, wird in den allermeisten Fällen enttäuscht werden; hier guten Journalismus entdecken zu wollen, gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Die Fachaufsicht der Programmkommissionen über das formale Mittel der Programmbeschwerde ist dabei mit dysfunktional noch höflich beschrieben: sie funktioniert in Deutschland im Gegensatz beispielsweise zur Schweiz schlichtweg gar nicht.

In den USA gibt es neben den Konzernmedien nicht einmal einen ÖR. Die im National Public Radio zusammengefassten Freien Sender leben von Spenden. Eine Rundfunkgebühr gibt es nicht. Der einzige Ausgleich, der breitflächig Publikum erreicht, sind hier Staatsmedien von anderen Ländern wie RT. Die Konzernmedien sind in den USA meist noch korrupter als in Europa. Wenn sich die USA also zur Unterdrückung von Staatsmedien anderer Länder entscheiden, so verletzen sie damit nicht nur die äussere Pressefreiheit, die jedem eine ungehinderte Berichterstattung garantiert – sie verletzen sie auch ausgerechnet an der Stelle, an der es aufgrund der längst kaum mehr vorhandenen inneren Pressefreiheit eines Korrektives am dringensten bedarf. Ich denke dabei an kritische Journalisten wie beispielsweise die Kanadierin Eva Bartlett, die immer noch kein Blatt vor den Mund nimmt.

Zusammen mit den Zensurbestrebungen der Datenkraken von Facebook bis Google gegen die aufkeimenden alternativen Medien ist es dieser Schlag gegen die Pressefreiheit, die ihr in den USA das Genick brechen soll – und vermutlich auch wird, was wohl ganz in der Absicht derjenigen liegt, die diese Entscheidung getroffen haben. Dieser Angriff auf die Pressefreiheit wird jedoch Folgen auch in Russland haben, denn es ist unwahrscheinlich, dass die russische Regierung das bezüglich westlicher Medien unbeantwortet lassen wird. Die Massnahme gefährdet also gleichzeitig die Pressefreiheit in Russland. Und noch schlimmer, für gewöhnlich folgen die europäischen Länder praktisch blind den Vorgaben des US-Imperiums. Die EU sei ein wirtschaftlicher Riese, jedoch ein politischer Zwerg, wird oft gesagt. Und insofern ist dieser Schlagabtausch gegen die Pressefreiheit in Kopie dann wohl auch in naher Zukunft in Europa zu erwarten.