Notenbanker in der Klemme
Die Wirtschaft wächst. Die EZB könnte die Zinsen erhöhen. Wenn da nicht dieses eigentümliche Problem mit den Löhnen und den Preisen wäre. Dass die Zentralbank mit dem Ausstieg zögert, ist kein Wunder. Denn der Aufschwung in Europa ist nicht ganz so schön, wie er manchem scheint. So liegt die Arbeitslosenrate in Frankreich, Italien und Spanien noch bei oder über zehn Prozent. Zudem herrschen Zweifel, ob der Aufschwung „selbsttragend“ ist, also auch ohne Unterstützung der EZB hält. Das Hauptproblem der EZB ist allerdings die Entwicklung der Maßzahl, um die sie sich vorrangig kümmern soll: die Inflationsrate. Sie liegt seit Jahren unterhalb des EZB-Zielwerts, und es gibt derzeit laut Draghi „einfach keine überzeugenden Anzeichen dafür, dass sie steigt“. Für eine dauerhafte Erhöhung der Teuerung müssten die Löhne in Europa stärker steigen. Doch das tun sie nicht. Das ist eigentlich rätselhaft. Denn nach gängigen ökonomischen Modellen führt eine sinkende Arbeitslosenrate zu höheren Löhnen und damit zu mehr Nachfrage und höheren Preisen. Dieser Zusammenhang jedoch scheint gebrochen – nicht nur in Europa, auch in den USA, wo die Zentralbank sich mit einem ähnlichen Problem herumschlägt. Warum steigen die Löhne nicht stärker, trotz Aufschwung? Die Antwort liegt in einem Trend, der oft Flexibilisierung oder Prekarisierung genannt wird: Jobs entstehen, aber sie sind von „geringer Qualität“, so Draghi. Es sind befristete oder Teilzeit-Stellen – Jobs, die eher schlecht bezahlt werden, die die Kaufkraft nicht erhöhen und damit nicht die zahlungsfähige Nachfrage und die Inflationsrate.
Den Bericht gibt's hier. Dazu der damalige Bundeskanzler Schröder auf dem WEF in Davos: “Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren der Welt aufgebaut.”