Selbstgerechter Protest: Die Vertrumpung der Welt
Nicht nur die Wirtschaft kennt Globalisierung. Auch die Empörung globalisiert sich. Schwule, Frauen, Journalisten, Städter, Professoren aller Länder - vereint gegen Trump! Jetzt machen alle mit beim Blacklivesmatteroccupywomensmarch. Aber wo war der Protest, als das Fundament für Trumps Erfolg gelegt wurde? Die liberale Gesellschaft hat in der Vergangenheit bitter versagt. Und auf die wichtigste Frage der Zukunft hat sie keine Antwort: Was, wenn Trump Erfolg hat?
“Flyover states” heißt das weite Land, in dem Trump gewonnen hat. Die Flugzeuge fliegen nur darüber hinweg auf dem Weg von Küste zu Küste, wo die liberale Gesellschaft lebt. Das ist nicht nur ein amerikanisches Phänomen: In der ganzen westlichen Welt hat die Masse der Abgehängten in der Vergangenheit den Kondensstreifen der Globalisierung hinterhergeblickt.
Augstein hat recht. Das ist genau das, was auch mich stört: das Sturmlaufen, das Empören im Tunnelblick. Es verhindert gerade die notwendige Analyse.
Zu einem Präsidenten wie Trump dürfte es unter gewöhnlichen Umständen gar nicht kommen. Dringend wäre allerspätestens jetzt endlich angezeigt zu analysieren, weshalb er gewählt wurde. Wo lagen die Fehler, was wurde falsch gemacht, damit so etwas vorkommt?
Wenn die liberale Gesellschaft nicht endlich in der Lage ist, sich zurück zu nehmen und (auch schmerzhaft) ihre eigenen Fehler zu analysieren, dann werden Führer wie Trump zum Dauerthema werden, und nicht nur in den USA.
Wo bleibt also diese nun notwendige Selbstkritik und Katharsis? Sie fällt bisher ganz aus.
Das einzige, was ich sehen muss, ist, dass unsägliche Hetze und brennender Hass ausgelebt werden. Jene verpuffen jedoch – mit etwas Glück. Denn sie sind auch Treibstoff für die nächste Welle der rechten Lauttreter. So spielt man ihnen in die Hände.