In der Abwärtsspirale
Warnungen vor dem Zerfall der EU und Appelle zum Schulterschluss mittels einer aggressiven Weltpolitik durchziehen zum Jahreswechsel die politische Debatte im Berliner Establishment. “Ungebremste Fliehkräfte” zerrten an der Europäischen Union, die in eine “atemberaubende Abwärtsspirale” geraten sei, konstatiert eine Expertin des European Council on Foreign Relations. Die “europäische Politik” befinde sich in einem “kritischen Augenblick”, warnt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Allgemein verwiesen wird auf das Erstarken nationalistischer Kräfte, auf die weiterhin schwelende Eurokrise und den im Falle Großbritanniens bevorstehenden ersten Austritt eines Mitgliedstaats. Lediglich mit einer gemeinsamen Außen- und Militärpolitik könne die EU noch punkten und der Bevölkerung nahelegen, “Teil der Lösung, nicht des Problems” zu sein, urteilt Ischinger; in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik heißt es: “Entschiedenheit sollte Europa in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik demonstrieren”. Der bekannte US-Think-Tank Stratfor rechnet ungeachtet der Bestrebungen, die EU durch gemeinsame Aggression nach außen zusammenzuschweißen, fest mit dem Zusammenbruch des Staatenbundes. Kommentatoren spekulieren bereits über Alleingänge Berlins und eine “neue deutsche Frage”.