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Die Banken und Zocker in der Ukraine bekommen vom IWF 18 Milliarden – wie das dann für's Volk aussieht, kann man in Spanien, Italien und Griechenland betrachtenDer politische Traum einer Unpolitischen – Ein interessantes Interview, vor allem deswegen, was hier nicht passiert ist

Warum der Geist (“Mind”) nicht wie ein Computer funktioniert

People who believe that the mind can be replicated on a computer tend to explain the mind in terms of a computer. When theorizing about the mind, especially to outsiders but also to one another, defenders of artificial intelligence (AI) often rely on computational concepts. They regularly describe the mind and brain as the “software and hardware” of thinking, the mind as a “pattern” and the brain as a “substrate,” senses as “inputs” and behaviors as “outputs,” neurons as “processing units” and synapses as “circuitry,” to give just a few common examples.

«Leute, die glauben, dass der Geist auf einem Computer nachgebaut werden kann, tendieren dazu, den Geist mit den Begriffen eines Computers zu erklären. Wenn sie über Geist theoretisieren, im Speziellen gegenüber Laien aber auch untereinander, stützen sich Vertreter der Künstlichen Intelligenz (KI) oft auf Berechnungs-Konzepte. Sie beschreiben Geist und Gehirn regelmässig als “Software und Hardware” des Denkens, den Geist als ein “Muster” und das Gehirn als “Substrat”, Sinne als “Input” und Verhalten als “Output”, Neuronen als “Recheneinheiten” und Synapsen als “Schaltkreise”, um nur ein paar gängige Beispiele anzuführen.»

Weiter geht's mit der Kritik auf The New Atlantis.

Tatsächlich ist das nicht zielführend. Die Kritik trifft ins Schwarze. Wobei ich hinzufügen möchte:

Ich halte es durchaus für sinnvoll, das Gehirn (oder besser: das zentrale Nervensystem, ZNS) als Computer zu betrachten. Ein Computer ist eine Rechenmaschine, die einen abstrakten Automaten implementiert. Allerdings muss man dabei auf mehrere Dinge achten:

  1. Dieser Computer implementiert einen Autmaten der Klasse Rekurrente Neuronale Netze (RNN). Solche Netze sind nicht vorhersagbar. Das ist anders als bei einem Von-Neumann-Rechner, der bei einem festen Input innerhalb der gewünschen Eingabeparameter durchaus vorhersagbares Verhalten zeigen sollte (und es sind Computer- oder Programmfehler, falls das nicht der Fall ist).

  2. Das ZNS ist ein Analogrechner, kein diskreter Rechner. Auch deshalb wird's mit dem Vorhersagen nichts. Ausserdem stellt sich die Frage, ob man mit diskreten Rechnern dann überhaupt einen Geist hervorbringen kann. Wir wissen derzeit nicht, ob dazu analoge Rechner notwendig sind oder nicht (falls es auf diese Weise überhaupt geht).
  3. Die Softwarebetrachtung der RNN fehlt. Bisher simulieren wir zwar RNNs (zumindest diskrete), allerdings haben wir wenig bis kein Wissen, wie man damit Software betreiben kann, oder überhaupt Software dafür herstellen. Und ja, selbstverständlich geht das: RNNs sind im Allgemeinen Turing-vollständig.
  4. Wir wissen wenig über die tatsächliche Funktion der Hardware des ZNS. Die Annahmen, es gäbe etwa ein “Sprachzentrum” oder gar “Spiegelneuronen”, sind allesamt haltlose Spekulation. Glaubt Ihr nicht? Nun, dann überlegt mal folgendes: wenn Ihr Euren PC anschaltet, und dann bei laufendem Gerät die Festplatte deaktiviert, indem Ihr z.B. das Kabel abzieht, kann eine zuvor geöffnete Textverarbeitung immer noch die Rechtschreibung des eingegebenen Textes prüfen. Jedoch ist es nicht mehr möglich, das Dokument zu drucken. Ist jetzt die Festplatte das “Druckzentrum des PCs”? Tatsächlich basieren alle solche Aussagen auf dem Missverständnis einer Identitätstheorie, Funktionen liessen sich etwa 1:1 “im Gehirn” verorten. Dabei funktioniert das schon bei einem handelsüblichen PC nicht – und es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, das sei beim Gehirn etwa anders. Solche starken Annahmen wie die einer Identität sollte man jedoch als Wissenschaftler bleiben lassen. Das sagt einem Ockhams Rasiermesser.
  5. Über die Software, die auf dem ZNS (vermutlich) läuft, wissen wir bisher so gut wie gar nichts. Da der Fehler gemacht wird, hier erst gar keine grossen Softwarebetrachtungen anzustellen, ist auch nichts bekannt. Es wäre auch schwierig, da wir ja nicht einmal über die Hardware (als Computer gesehen) Bescheid wissen bisher. Mehr Reengineering dieser Hardware ist angesagt, gefolgt von Reengineering der Software. Hier ist noch komplett unentdecktes Land. Wir wissen ja nicht mal, wie Input und Output, wie Sensorik und Aktorik genau funktionieren (auch wenn wir auf letzteren Gebieten wenigstens langsam Fortschritte machen).
  6. Wenn wir mal die Software darauf halbwegs verstanden haben werden, so werden wir immer noch nicht wissen, wie Geist funktioniert. Der Grund liegt darin, dass Geist sicher keine Software ist – die beiden Dinge sind kategorial different, genau wie auch Hardware und Software. Software ist reine Funktion, sind vorgefertigte Abläufe, eben Algorithmen. Bei Geist geht es dagegen um Interessen, Absichten, damit Zweck, Sinn und Bedeutung. Geist hat Eigenschaften wie Kreativität, Vorstellungsvermögen, Wahrnehmung (und nicht nur Input), Handeln. Die Frage ist also: wie funktioniert überhaupt etwas, was eben nicht nur reine Funktion ist? Wir wissen es nicht.
  7. Die Softwarethese besagt, dass man Geist mit Software oder in Software hervorbringen kann, vergleichbar dem Verhältnis zwischen Hardware und Software, wo Software “auf einer Hardware läuft”. Diese These ist die eigentliche Grundthese der Künstlichen Intelligenz. Sie ist unbewiesen. Es könnte auch sein, dass Geist was ganz anderes ist. Alles deutet jedoch darauf hin, dass die Softwarethese stimmen könnte. Evidenz haben wir bisher dafür jedoch immer noch keine – und sonst auch für keine andere These.

Aufgrund unseres Wissens über Geist und über die Funktionsweise des ZNS hänge ich der Softwarethese an.

publiziert Thu, 27 Mar 2014 11:48:32 +0100 #informatik #ki #philosophie #wissenschaft

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