Merkel muss weg
Ohne dass Merkel abtritt, wird sich die Krise in Europa weiter verschärfen. Nachdem die SPD wohl als Totalausfall gelten muss, fragt sich, wie das überhaupt gelingen kann.
Deutschland hat mit dem Wirtschaftskrieg gegen seine EU-Partner den Bogen überspannt. Was wir heute in Istanbul sehen, wird nächstens in Athen zu beobachten sein. Und dann in Spanien, vielleicht in Portugal. Und es wird nicht überall so friedlich seitens der Demonstranten verlaufen wie in der Türkei. Dort verhalten sich die Leute ja vorbildlich, und die Gewalt geht bisher nur von Erdogans Polizei aus. Doch Erdogan führt nicht nur in der laizistischen Türkei einen Kulturkampf gegen die Freiheit – er hat auch ein stramm neoliberales Programm, das viele Menschen am wirtschaftlichen Wachstum gar nicht teilhaben lässt. Dabei steht er seinen deutschen konservativen Pendents näher als viele wahrhaben wollen.
Die “Troika” ruiniert Europa. Sie zerstört nicht nur den Euro, sondern sie legt die Axt an die Grundlage, auf der das “europäische Haus” erbaut wurde. Denn Frieden in Europa kann es nur geben, wenn die Leute nicht hungern, ein Dach über dem Kopf haben, und medizinisch versorgt sind. All das ist in Teilen Europas bereits nicht mehr der Fall. Der Alptraum steht schon bereit: wie in Ungarn, so könnten als nächstes auch in Griechenland die Rechtsextremisten an die Macht kommen. Das plötzliche Dichtmachen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Griechenland riecht nach Putsch.
Die Macht der Neoliberalen muss gebrochen werden, in ganz Europa. Andernfalls drohen düstere Zeiten. Doch wie kann das gelingen?
Die Linke leidet unter ihrem alten Problem, der Spaltung. Sie ist zersplittert und verteilt auf die Linkspartei, auf die Piraten, auf knapp die Hälfte der Grünen, und Reste sind sogar immer noch in der SPD. Die Linke hat so keine Chance, denn wenn sie in der SPD und bei den Grünen mitwirkt, aber in der Minderheit ist, fällt ihr Gewicht vollständig den Neoliberalen zu. Letztlich wäre es besser, die Leute würden geschlossen aus der SPD und den Grünen austreten, und die Piraten sowie die Linkspartei übernehmen. Offensichtlich ist es weder bei den Grünen noch bei der SPD gelungen, diese Parteien zu einer linken Politik zu bewegen – der klare Beweis dafür sind die gewählten Führungsspitzen. Jetzt sind die Bemühungen derer in diesen Parteien, die das anders möchten, nicht nur vergeblich sondern kontraproduktiv.
Angeführt wird die Troika nach wie vor von Merkels CDU. Und Merkel hat die Konservativen genauso fest in der Hand wie die Seeheimer die SPD. Mit der Partei Konrad Adenauers und des (damals parteilosen) Wirtschaftsministers und späteren Bundeskanzlers Ludwig Erhard hat die heutige Union nicht mehr viel gemeinsam. Streng auf marktradikal-neoliberaler Linie, hält so mancher in dieser ideologisch straff ausgerichteten Vereinigung von Feudalisten gar Helmut Kohl wohl für einen Kommunisten - gab es unter diesem Kanzler doch einen Spitzensteuersatz von 53%. Die Zitate heutiger CDU-Politiker dazu sind einschlägig.
Derweil ist die CSU so handlungsunfähig wie die FDP. Letztere leidet weiter unter der selbstgewählten Marginalisierung durch das Unterwerfen unter diejenigen, die gerade am meisten Wahlkampfhilfe bezahlen, seien das nun Hoteliers oder Spielhöllenbetreiber. Erstere ist völlig gelähmt durch das Auffliegen des ganzen Aussmasses der Korruption bis zum Wegsperren eines Unschuldigen, der zuviel wusste. Da wird es auch nichts nützen, wenn man sich in Bayern nun einen “Ehrenkodex” geben möchte.
Und so bleibt Merkel mit ihrer neoliberalen Truppe fest im Sattel – und kann ganz Europa in Schutt und Asche legen. Wenn sie das schafft, so wird das schliesslich Deutschland schlimmer treffen als jede Flutwelle es könnte. Denn Deutschland trifft es zuletzt, aber dafür um so sicherer, wenn die europäische Krise weiter eskaliert.
Der einzige Lichtblick, der in dieser Situation noch bleibt: wenn die Leute den neoliberalen Parteien die Stimme verweigern, und stattdessen deren Gegner stärken. Da bleiben aber von den grösseren Parteien nur die Piraten und die Linkspartei übrig. Wem diese Wahl nicht gefällt, sollte sie trotzdem wählen. Denn ohne Gegengewicht wird Merkel so richtig abräumen. Und Stimmenthaltung stärkt die Fraktionen alle; die Stimmen sind nicht nur weggeworfen, man hat so Merkel gewählt.
Und damit wohl das Ende Europas, wie wir es kennen.
publiziert Wed, 12 Jun 2013 15:10:29 +0200 #deutschland #europa #kommentar