Liebe Twister,
… schreibs doch deutlicher: Der Bericht der “Welt” ist Bullshit.
Ein typischer Springer-Hetzartikel. Sie könnten auch direkt von “spätrömischer Dekadenz” schreiben.
Ich bezweifle, dass Kathrin Spoerr überhaupt eine Hartz-4-Empfängerin kennt. Falls es diese “Susanne Müller” wirklich geben sollte, so kauf ich die Darstellung nicht.
Gegen Springer-Blätter anzuschreiben, ist jedoch sowieso hoffnungslos. Die werden ihren immer gleichen Hetz-Sermon nie abbrechen, egal wie oft man ihnen Betrug nachweist.
Oder hast Du schon einmal in der Welt über die wirklichen Probleme der “Unterschicht” gelesen, wie es inzwischen fast unmöglich ist dafür zu sorgen, dass die Kinder noch lesen und schreiben lernen bei all dem Fernsehkonsum? Wie die Erwachsenen verzweifeln, wie Kinder von Geburt an keine Chance bekommen im Leben, und deshalb nur lernen, dass jede Mühe sowieso vergeblich ist?
Hast Du in der Welt mal über die Menschen mit Mitte 50 gelesen, die erst aus dem Job gefallen sind (“zu alt”), und dann bis zur Rente vom perversen Hartz-4-System um all ihre Ersparnisse ihres über 30-jährigen Erwerbslebens gebracht werden?
Hat die Welt schon einmal über die psychisch kranken und suchtkranken Menschen berichtet, die rein gar nichts bekommen an Unterstützung, keinen Pfennig, und die oft nicht krankenversichert sind, über die Berufsbetreuer, die sich die Taschen vollstopfen mit den Pauschalen für möglichst viele Fälle? Gabs da mal einen Bericht, wie diese Menschen immer mehr “unter der Brücke” landen, als Obdachlose? Oder, nur wenn sie viel “Glück” haben, mangels Hilfe unrettbar abgestürzt genug sind, schliesslich im betreuten Wohnen landen – wovor man sie problemlos hätte bewahren können, käme die Hilfe nicht viel zu spät (falls sie überhaupt kommt)?
Berichtet die Welt etwa über die erschreckende Zunahme von Kindern und Jugendlichen unter den Obdachlosen in den deutschen Städten, und wie es fast unmöglich ist, jene überhaupt noch zu erreichen (nicht dass da überhaupt genug versucht würde, natürlich)?
Nein. Alle diese, ganz konkreten und wirklichen Fälle ignoriert die Welt. Stattdessen stellt sie den Leistungsverweigerer “Susanne Müller” dar, das faule Pack. “Susanne Müller” steht in der rechtsextremen, marktradikal neoliberalen Ideologie den Antagonisten des “Leistungsträgers” dar – nicht weil sie nichts arbeitet, sondern weil sie Geld kostet. Wenn sie reich geerbt hätte und nichts arbeiten würde, wäre sie ebenfalls “Leistungsträger”. Aber so? So liegt sie auf der Tasche!
Denn das ist der “Leistungsträger” – derjenige mit Vermögen. Paris Hilton ist für die Welt ein Musterexemplar solcher “Leistungsträger”:
Es gibt also keinen Grund, sich über Paris Hilton lustig zu machen oder sie auf den Begriff "Celebrity" zu reduzieren, die beim Einschecken im Hotel als Beruf "Erbin" angibt. Sie ist mehr, weit mehr. Sie verkörpert den postindustriellen Turbo-Kapitalismus, dem es nur auf eines ankommt: immer in Bewegung zu bleiben, denn Stillstand bedeutet Absturz. Und so wie Geldströme Tag und Nacht, bei jedem Wetter rund um den Globus unterwegs sind und dabei einem Perpetuum mobile sehr nahe kommen, so ist auch Paris Hilton immer "on the run", eine Art Roadmovie ohne Anfang und ohne Ende, ein Fortsetzungsroman, bei dem der Leser an jeder beliebigen Stelle einsteigen kann. Denn Paris Hilton vertritt nur Paris Hilton. Und nebenbei auch ein wenig Louis Vuitton. Oder eine Prosecco-Marke namens Rich Prosecco.
Aber: Sie verschwindet nie hinter dem Produkt, für das sie wirbt; sie würde nicht einmal ihren Chihuahua dazu hergeben, für eine Billig-Textil-Marke zu posieren, ihre Autobiografie ("Confessions Of An Heiress") hat sie schon mit 23 geschrieben und dabei sehr viel Selbstironie bewiesen; sie ist nachhaltig wie eine Bambusstaude, die sich biegt, aber nicht bricht. Alles Tugenden, die man und frau im täglichen Überlebenskampf braucht.