Deutschland profitiert von der Verarmung der EU-Peripherie? Die Deutschen profitieren nicht, aber manche, ganz bestimmte Deutsche schon
Die Kritik an der deutschen EU-Politik wird lauter. Längst sind es nicht mehr nur wütende Demonstranten in Griechenland, Portugal und Spanien, die mit Anti-Merkel-Parolen auf die Straße gehen. In Italien gehört Kritik an der Rolle Deutschlands längst zum guten Ton quer durch alle politischen Kreise. Das bekam Merkel sogar während ihres Osternurlaubs in Italien zu spüren.
Das berichtet Peter Nowak auf Telepolis. Aber warum ist das so? Was macht unsere Regierung denn falsch? Hier der Versuch einer Erklärung:
1) Wie kann es sein, dass wir Deutsche mit unseren hohen Löhnen Länder mit niedrigeren Löhnen niederkonkurrieren?
Die Antwort liegt in den Lohnstückkosten. Es geht gar nicht alleine darum, wie hoch Löhne sind – es geht um das Verhältnis von Löhnen zur Produktivität. Wer mit weniger Arbeitseinsatz mehr produzieren kann, der kann sich höhere Löhne leisten, und bleibt trotzdem wettbewerbsfähig. Will man bewerten, ob Löhne hoch oder niedrig angesetzt sind in einem Land, so muss man das immer in Relation zur Produktivität setzen.
Und will man bewerten, ob Löhne in einem Land aus der Sicht hoch oder niedrig sind, was man dafür erhält, so muss man sie immer mit dem dortigen Preisniveau vergleichen – was nützt mir ein doppelt so hoher Lohn, wenn die Dinge, die ich zum Leben brauche, das Vierfache kosten?
Das Problem in Deutschland ist tatsächlich, dass die Löhne durch die inzwischen jahrzehntelange Lohnzurückhaltung und das Lohndrücken mit der “Agenda-Politik” stagnieren, ja real zurück gegangen sind. In Ländern wie Italien oder Spanien ist das nicht der Fall. Dadurch hat Deutschland massiv an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, und konkurriert diese Länder erfolgreich nieder.
Übrigens liegt Deutschland eben nicht mehr an der Lohnspitze, sondern nur noch im oberen Mittelfeld mit den Löhnen. Die Produktivität Deutschlands ist aber spitze, und da kommt das Missverhältnis her.
2) Warum soll das keine Lösung sein, dass die anderen Länder das einfach nachmachen?
Die Lohnzurückhaltung in Deutschland hat einen Preis: viele Leute haben deshalb kaum mehr Geld als sie unbedingt zum Leben brauchen. Und das bedeutet, sie kaufen weniger ein als früher, obwohl die Wirtschaft insgesamt gewachsen ist. Viele andere Leute haben noch etwas, aber ihre Löhne wachsen nicht mit der Produktivität mit, sie fallen also relativ zurück. Dadurch steigern sie den Konsum nicht. Diese beiden Dinge zusammen sorgen dafür, dass der Binnenmarkt stagniert und sogar leicht zurück geht. Deutschland hat quasi eine “Innen-Rezession”. Gleichzeitig soll die Wirtschaft aber wachsen. Das geht nur über Exporte. Und genau deshalb wird das auch gemacht, und Deutschland exportiert wie der sprichwörtliche Weltmeister.
Das kann aber keiner nachmachen. Warum nicht? Alles, was jemand exportiert, muss ein anderes Land importieren. Wenn alle exportieren, wer soll dann der Importeur sein? Deutschland ist auf Spanien, Italien, etc. angewiesen als Importeure. Nur weil andere Länder importieren, kann Deutschland überhaupt dauernd Exporteur sein. Die vermeintliche Lösung, dass andere Länder dann einfach auch exportieren, ist also keine.
3) Na gut, ist vielleicht deren Problem, dass sie das nicht nachmachen können, warum soll uns Deutsche das beschäftigen?
Weil das, womit wir für all die Mühe bezahlt werden, wofür all die Leute Lohnzurückhaltung üben, was nur unsere Reichen immer reicher macht und die meisten Deutschen nicht oder sogar ärmer, nichts wert ist.
Aber wir kriegen doch Geld? Jein. Wir leihen Geld an die Importländer, die uns damit bezahlen, und das sie uns dann schulden. Das geht manchmal direkt, oft indirekt über mehrere Banken und Exportsicherungen der KfW. Aber es läuft immer auf dasselbe hinaus: wir werden mit Geld bezahlt, das wir selbst zur Verfügung stellen.
Wenn aber ein Land immer mehr importiert als exportiert, so gehen ihm auf Dauer ganz sicher die Mittel aus. Denn es fliesst ja ständig Geld netto aus dem Land ab, auf Dauer. Und dadurch wird die Kreditwürdigkeit eines jeden solchen Landes immer fragwürdiger. Das bedeutet, je mehr wir weiter exportieren, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass wir jemals überhaupt bezahlt werden ausser mit unserem eigenen Geld, das wir vorher für diesen Zweck verliehen haben.
4) Das hört sich schon nicht mehr so gut an. Aber warum ist das für uns Deutsche ein Problem? Hört sich wieder nach einem Bankenproblem an.
Das ist ganz konkret für uns Deutsche ein Problem, weil unser Staat die meisten dieser Export-Geschäfte besichert, z.B. mit sog. “Hermes-Bürgschaften”. Es ist also tatsächlich so, dass unsere Banken unseren Kunden Geld leihen, die bezahlen es unseren Firmen, die zahlen wenig Lohn aber viel an die Besitzer, und für die Schulden haftet der deutsche Staat – die Steuerzahler.
5) Jetzt hört sichs wirklich langsam negativ an, zumindest für alle Deutsche. Und das trifft bestimmt jeden Steuerzahler.
Ja, aber es trifft immer weniger die Reichen oder grosse Konzerne. Denn hier greift die nächste Falle: die Reichen und die Konzerne zahlen immer weniger, oft gar keine Steuern mehr. Die Diskussion über die “Steueroasen” ist ja grade in aller Munde. Dort wird gerade bekannt, wie das gemacht wird. Noch schlimmer: die Politik hat absichtlich die Gesetze so gestaltet, dass immer mehr davon völlig legal ist. Für Reiche und Konzerne wird Schwarzgeld langsam überflüssig, sie zahlen auch legal so gut wie keine oder gar keine Steuern mehr, wenn sie sich geschickt anstellen.
Und dafür gibt's ein Heer von Beratern, damit jeder wirklich Reiche und jeder Konzern sich auch geschickt anstellen können.