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Spider CatOhne Worte

Deutsche Bahn – Netizens sind jetzt Passagiere 3. Klasse

Obwohl ich eine Menge Zug fahre, versuche ich normalerweise deutsche Züge zu meiden. Ist man einmal die Qualität der Züge der SBB gewohnt, so kommen einem die Zustände in den Zügen der Deutschen Bahn “AG” vor, als müsse man ständig nach der versteckten Kamera Ausschau halten. Zu diesem Thema wird ja eine Menge geschrieben; über ein aktuelles Erlebnis möchte ich heute aber trotzdem gerne berichten.

Meine Reise im ICE von Zürich über Basel nach Karlsruhe zeigt mir einen neuen Aspekt der Service-Katastrophe der Bahn. Und es geht mir hier nicht darum, dass (ich hätte beinahe “selbstverständlich” geschrieben) wieder einmal das Bordnetz ausgefallen ist, so dass es keine Stromversorgung für mitgebrachte Verbraucher im Zug gibt; Laptop und Smartphone halten genügend Reserven. Soweit bin ich vorbereitet. Es geht auch nicht darum, dass man besser Warnschilder vor dem Gulasch aufstellen sollte – oder genauer: vor dessen Knödeln, die mit dem bordeigenen Besteck nicht in mundgerechte Stücke aufzutrennen sind. Da wäre professionelleres Handwerkszeug notwendig, vielleicht eine Stichsäge, eine Flex wäre vielleicht etwas “oversized”. Auch möchten wir über die kaputte Milchdüse hinwegsehen, weswegen es Kaffee nur noch ohne Milch gibt. Es gibt ja Kaffee-Sahne aus den niedlichen, kleinen Plastikbecherchen.

Nein, soweit ist alles wie erwartet. Und ich bin immer noch am Hoffen, dass nicht auch noch meine Erwartungen in Sachen Pünktlichkeit erfüllt werden, sondern vielleicht doch endlich wieder einmal übertroffen. Dann hätte ich eine reelle Chance, zur Podiumsdiskussion im Hambacher Schloss heute einigermassen pünktlich abgeliefert zu werden. Selbstverständlich hab ich eine Dreiviertelstunde Reserve und das Not-Taxi auf der letzten Strecke eingeplant. Könnte also klappen.

Die Deutsche Bahn hat sich heute für mich etwas Neues ausgedacht. Wie üblich sitzen im Zug-Restaurant Fahrgäste, die die Zeit, in der sie aufs Essen warten, mit notwendigen Tätigkeiten oder etwas Ablenkung brücken. Die Dame hinter mir schreibt eifrig in Ihr Notizbuch. Der Herr neben mir liest Zeitung. Der andere Herr schräg gegenüber bearbeitet seine Post. Und die Dame vor mir ist mit ihrem Terminplaner beschäftigt. Soweit alles ganz in Ordnung.

Auffällig ist, dass um kurz nach 12:00 Uhr der Speisewagen nicht einmal zur Hälfte gefüllt ist. Und dafür gibt es einen Grund: auch ich würde gerne meine Post durchgehen und danach Zeitung lesen. Aber ich darf nicht. Und mit mir viele andere Passagiere auch nicht mehr. Auf jedem Tisch steht ein Verbotsschild.

Verbotsschild

Denn Zeitung lesen, Post durchsehen, Termine planen oder Notizen schreiben ist nur noch für Offline-Passagiere zulässig. Passagiere, die im Netz-Zeitalter leben, und diese Tätigkeiten auf ihrem Pad, ihrem Smartphone oder ihrem Netbook oder Laptop durchführen wollen, sind aus dem Zugrestaurant verbannt. Solche Passagiere werden hier nicht mehr bedient. Elektronische Geräte aller Art verboten. Vermutlich hat das einer der Internet-Ausdrucker in der Zentrale entschieden. “Ihre Mitreisenden danken es Ihnen.” Wirklich?

Warum man mitreisende Fahrgäste stört, wenn man seine Zeitung auf einem Pad liest statt auf einer flächenmässig wohl gut zwanzig Mal grösseren Ausführung “toter Baum”, erschliesst sich mir nicht. Warum man anderen scheinbar auf die Nerven geht, wenn man seine Notizen in sein Smartphone einpflegt statt in das kunstledergebundene Büchlein, ebensowenig. Aber man muss es wohl hinnehmen. Denn vorsorglich hat die Organisation der Bahn auch daran gedacht, wie die überaus wichtigen Verbotsschilder ja nicht verrutschen oder verloren gehen können: sie sind unverrückbar auf jeder Tischdecke in der Mitte des Tisches festgeklebt.

P.S.: dieses Posting wurde selbstverständlich nicht über das T-WLAN an Bord versandt. Das nimmt gerade keine Verbindungen an, zumindest nicht von meinem Laptop.

publiziert Wed, 09 May 2012 12:24:48 +0200 #bahnwahn #deutschland #internetausdrucker

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