(Noch) kaum Konservative in Sicht
Die Krise der CDU ist auch die immerwährende Krise des Konservativismus.
Der Konservativismus krankt ja seit je her an der Verlogenheit vieler seiner Anhänger. Er stellt hehre Ideale an Positionen, hinter denen sich dann oft nur kurzfristige Gier und Opportunismus verbergen. Es ist die klassische konservative Krankheit: da werden “Werte” eingefordert, blickt man aber hinter die Kulissen, wird all das ständig im Geheimen getan, wofür die liberaleren Zeitgenossen sich nicht trauen würden Freiheit einzufordern. So sind die Parteispendenskandale, die Bestechungsskandale wie auch der Skandal um den CDU-Abgeordneten mit der Beziehung zu einer 16-jährigen wohl keine Ausnahmen, sondern genauso “normal” wie dass bestraft wird, wenn's denn ”rauskommt”; auch und gerade von denjenigen, bei denen man besser auch nicht zu tief gräbt. Unglücklicherweise sind oft auch in diesem Bereich die großen Kirchen ein unrühmliches Vorbild, und zwar beide Fraktionen, und nicht nur die römisch-katholische, deren Kindermissbrauchsskandal ja gar kein Ende mehr nimmt.
Das ist sehr schade. Denn ein richtig verstandener Konservativismus hätte einiges zu bieten.
Unsere Republik ist nämlich in Wirklichkeit auf Werten aufgebaut, die die gesamte Gesellschaft mittragen sollte. Es sind dies die Werte der Aufklärung, des Humanismus. Da kommen die Freiheitsideale her, die Gerechtigkeitsideale wie auch die Sozialideale, auf die unsere Verfassung gründet, und alle unsere Staatsideen und -prinzipien gegründet sind. Es gäbe für echten Konservativismus also wirklichen Raum: er müsste für die Gleichheit vor dem Gesetz wie auch bei den Startbedingungen ins Leben eintreten. Er müsste für freie Bildung für alle stehen, der Erziehung zum eigenständig denkenden Menschen. Und er müsste für die Brüderlichkeit stehen, die nicht nur eine Textstelle in unserer Nationalhymne ist, sondern Bürgerpflicht. Davon ist nicht viel zu sehen.
Mit dem Neoliberalismus ist es wie mit dem Neokonservativismus (falls man diese beiden Ideologien überhaupt unterscheiden kann): ein Lausbub, der im Griechisch-Unterricht wohl nicht aufgepasst hat, hat die Vorsilbe “Neo” falsch verwendet – sie bedeutet nämlich gar nicht Negation. Denn das wirklich Neue an “Neoliberalismus” wie “Neokonservativismus” ist doch allenfalls, dass sie mit den Werten des Liberalismus wie auch des Konservativismus nicht das Geringste zu tun haben.
Es ist erfreulich, wenn das konservative Vordenker wie Frank Schirrmacher endlich einsehen. Aber es ist nicht genug, wenn das alleine Schirrmachers Einsicht bleibt. Konservative Deutschlands, jetzt seid Ihr gefragt! Ihr seid aufgefordert zu zeigen, dass Ihr Eure Überzeugungen ernst meint, und eben nicht nur vorspiegelt, um nach einem geheuchelten Kirchgang ein gutes Geschäft zu machen!
Eine unter Schröder pervertierte SPD fühlte sich bemüßigt, den Finanzkapitalismus vollständig zu entfesseln und den Sozialstaat de facto auszuhebeln. Jetzt müssen es die Konservativen im Gegenzug hinkriegen, den Sozialstaat wieder einzuführen und das Raubtier Investmentzocker wieder einzufangen. Gelingt das nicht bald, so wird die wirkliche Neue Konservative eine Chance erhalten:
Die Grünen.
Deren Südwest-Chef ist ja so schwarz, dass die Schwaben ihn wählen konnten, obwohl er nicht bei der CDU ist. Aber ob Kretschmann auch nur einige seiner vielen Versprechen einlösen wird, auch das ist erst noch zu beweisen. Die Konservativen bleiben auch hier erst einmal in der Kritik.