Sexuelle Gewalt und eine sexualisierte Diskussion
Sexuelle Gewalt, insbesondere Vergewaltigung ist ein hochemotionales Thema. Kein Wunder, dass da die Emotionen Kapriolen schlagen.
Dieser Diskussion stünde etwas mehr Sachlichkeit gut zu Gesicht. Es ist wohl eine Tatsache, dass sexuelle Gewalt häufig stattfindet, ebenso klar ist es, dass es einen sehr guten Grund gibt, sie strafrechtlich zu verfolgen, ist sie doch höchst verwerflich. Umso unglücklicher ist es, dass die Beweislage in Sachen Straftaten aus diesem Bereich oft äusserst dünn und schwierig ist. Leider kommen Falschbeschuldigungen vor, wie häufig tut da wenig zur Sache. Wie immer kann das Strafrecht hier oft keine Gerechtigkeit schaffen, denn das Prinzip in dubio pro reo kennt es nicht ohne Grund. Besonders bei Straftaten der sexuellen Gewalt lassen sich allerdings wohl besonders häufig Zweifel nicht ganz ausräumen, leider. Und das bestimmt immer wieder auch in Fällen, in denen ein Opfer sexueller Gewalt nun auch noch den Freispruch des Täters erleben muss. Aber auch andersrum siehts nicht gerade gut aus, der Fall des falsch beschuldigten und eingesperrten Biologielehrers ist ja uns allen noch geläufig.
Zudem sind öffentliche Prozesse im Themenbereich sowohl für den (vermeintlichen oder wirklichen) Täter als auch für das (vermeintliche oder wirkliche) Opfer gefährlich und schädlich für beide Personen.
Umso trauriger finde ich das Bild, das die öffentliche Diskussion dazu abgibt. Die Springer-Presse, allen voran die BILD, lasse ich hier mal weg. Das ist ja derart unter aller Kanone, was dort geboten wird, dass man sich schon lange nicht mehr die Frage nach der Ethik der dort beschäftigten Kolumnisten, oder, nicht besser, Kolumnistinnen stellen muss: eine feministische Hetzjagd mit dem Ruf nach Abschaffung des Rechtsstaatsprinzips in einer Zeitung mit einem "Tittenmädchen" auf Seite 3 benötigt keinen weiteren Kommentar.
Leider bekleckert sich aber auch die sonstige "Mainstream-Presse" weder im Falle Kachelmann noch im Falle des wohl zumindest als sexistischen Widerling bekannten französischen Finanzmannes mit Ruhm. Und jetzt versagen auch noch die Blogger.
Sie versagen gleich in Reihe. So kann die feministische Journalistin ihre durchaus überlegenswerten Gedanken zum verdeckten und offenen Chauvinismus auch in Männergesellschaften bei Gericht leider nicht mehr vom geistigen Tiefflug einer gewissen BILD-Kolumnistin in Sachen Rechtsstaatsverständnis trennen. Und umgekehrt, der erfolgreiche Strafverteidiger versagt, indem er aus dem Artikel besagter Journalistin nur den Angriff auf das geliebte Rechtsstaatsprinzip herauslesen kann, dass aber in der Rechtspraxis wohl durchaus die kritisierten Probleme bestehen, die ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen, wird vollkommen ausgeblendet.
Vielleicht müssen wir alle noch viel erwachsener werden, bevor wir Straftaten im emotionalsten aller Bereiche nüchtern betrachten und diskutieren können. Das scheint mir leider das einzige Resumee zu sein, was ich aus dieser fruchtlosen wie unschönen Debatte zu ziehen vermag, die sich zwischen Voyeurismus und Verachtung des anderen aufbaut, und wohl deshalb selbst keine Früchte trägt.
Wie traurig vor allem für die Opfer, gleich ob solche sexueller Gewalt oder aber falsch Beschuldigte, hätten wir doch eigentlich die Pflicht, ihnen bestmöglich zu helfen!