Demokratie war nie ein Ideal
Unter diesem Missverständnis leidet die ganze Serie: Demokratie ist nichts, was man haben will. Es ist vielmehr das, was man haben kann.
Ideale Gesellschaften sehen anders aus. In der Utopie der Libertären sind Staaten gar nicht nötig, denn jeder Mensch verhält sich vernünftig, und kann auf sich selbst aufpassen. Niemand will dort andere Menschen beherrschen. In der Utopie der Kommunisten verhält sich jedermann ebenso vernünftig, nur eben aus deren Sicht: jeder hat dort eingesehen, dass man, wenn man zusammen einen Staat macht, viel mehr für alle erreicht.
Erreichbar ist keines dieser Idealbilder. Weil Idealbilder per se nicht erreichbar sind. Was man haben kann, ist Demokratie.
Was man haben kann ist, dass man Argumente nicht mit Waffen austauscht. Dass man den anderen zwar für dämlich hält, ihm im Zuge des Minderheitenschutzes jedoch einen Freiraum einräumt, um so zu sein, wie er nun einmal ist. Dass man abstimmt, was zu tun ist, und dann die Mehrheit den Ton angibt statt von irgend einem Mächtigen unterdrückt zu werden, der alleine gegen alle den Despoten gibt.
Was man haben kann, sind Demokratie und Rechtsstaat.
Das ist nicht viel. Aber es ist eine Menge im Vergleich zu dem, was sonst so passiert. Wer sehen will, was passiert, wenn Demokratie und Rechtsstaat nicht vorherrschen, soll doch einfach mal in Länder schauen, in denen das der Fall ist. Und dann entscheiden, wo es sich angenehmer leben lässt.
Denn die Leute werden sich nie einig werden, wie sie selbst und andere leben sollen. Sie werden nie vernünftig sein, sondern immer auch unvernünftig, emotional. Also setzt man voraus, dass das so ist, und findet einen Kompromiss.
Dieser Kompromiss, das ist die Demokratie. Und sie ist derzeit nicht gefährdet, weil sie etwa nicht funktionierte. Sondern weil sie den demokratischen Grundkonsens voraussetzt, das Leben und Leben lassen. Fällt das in weiten Teilen der Gesellschaft und bei den Eliten weg, gibt's auch keine Demokratie mehr.
TTIP, TISA und dessen “Investorenschutz”, das “Bankenretten” zulasten der Mehrheit, der Abbau der Sozialstaaten, die Ignoranz des neuen Militarismus, all das sind antidemokratische Entwicklungen. Waffengewalt, massive Vertretung nur noch der Interessen der Reichen, die Korrumpierung der gesamten Gesellschaft, das bedroht die Demokratie.
Und mit der Demokratie bedroht es jeden, der in Frieden leben will.
publiziert Mon, 23 Jun 2014 10:33:09 +0200 #demokratie #kommentar