Von der kritischen Begleitung der Politik zur Kritik am bösen Volk. Oder: Die Neigung vieler Medien zur lamentierenden Klage. – Stürmische Zeiten
Nicht witzig, nicht originell, nicht intelligent, dafür aber reichlich süffisant: Eine Kostprobe aus dem Programm von „Spiegel TV“.
Natürlich war auch das mit dem „ganz objektiv“ ein Witz, vorgetragen, wie alles, mit der kühl-ironischen Überheblichkeit, wie sie „Spiegel TV“ in den mehr als fünfundzwanzig Jahren seines Bestehens perfektioniert - oder jedenfalls: ritualisiert hat. Schätzungsweise ein Drittel der weltweiten Vorräte an Süffisanz werden allein von dieser Sendung verbraucht.
Den Kommentar hat die FAZ. Als Beispiel dient hier der (wirklich unterirdische) Spiegel-TV-Beitrag über die Montagsdemos. Zu Spiegel-TV gibt es nicht viel zu sagen. Es ist üblicherweise keiner Erwähnung wert. Wie Ihr jedoch feststellen könnt, berichte ich für gewöhnlich nicht über die sogenannten “Montagsdemonstrationen”.
Kein Grund dafür ist, dass ich die Leute, die sich dort versammeln, etwa alle geringschätzen würde, oder etwa keinen Grund sähe, weshalb sich Leute empören und auf die Strasse gehen. Das Gegenteil ist der Fall. Auch lehne ich Leute wie Ken Jebsen (der übrigens sicher kein Antisemit ist, das ist eine Broder-Erfindung) nicht prinzipiell ab. Die Demos sehe ich aber aus zwei Gründen kritisch:
Zum Einen sind die Leute dort am Suchen, zeigen aber wenig brauchbare Antworten. Das ist nicht falsch. Eigentlich ist das ähnlich wie bei der Occupy-Bewegung: die Leute spüren, dass sie verladen werden. Sie empören sich darüber. Aber sie verstehen (noch) nicht, was genau passiert, und suchen deshalb nach Gleichgesinnten, mithin nach Antworten. Jedoch ist mir das für Berichte zu dünn – ich bemühe mich hier, Beiträge aufzutreiben, die sinnvolle Antworten für viele Fragen liefern, oder wenigstens einen Teil unserer Kultur aufzeigen, den ich für wert halte, das er bekannt wird. Wenn ich hier Leute bringe, die selbst erst auf der Suche sind, so denke ich, kann man (noch) wenig von ihnen lernen. Das wird wohl anders, wenn sie zu antworten gekommen sein werden – aber eben erst dann.
Ken Jebsens Beiträge bringe ich hier ja auch hin und wieder. Der Mann ist allerdings schwierig, und mit Vorsicht zu geniessen. Manchmal bringt er interessante Sichtweisen zur Geltung, die man sonst leicht übersehen könnte; man denke an den Bundeswehrsoldaten, der den Kriegsdienst in einer nicht vom Grundgesetz gedeckten Mission verweigert hat, und dann aufgewacht ist, wie er ab da auf einmal behandelt wurde (obwohl er ja nur seine Pflicht getan hat, nämlich rechtswidrige Befehle zu verweigern). An anderer Stelle steht Ken jedoch auch mal die eigene Empörung im Weg. Aber kein Journalist hat immer gleich gute Beiträge, und so nehme ich viel von dem wahr, was Jebsen liefert, und gebe davon manches wieder.
Der zweite Grund ist jedoch ein schwerwiegender: die rechten Spinner versuchen, die Montagsdemos zu instrumentalisieren, und eine Querfront zu bilden. Wie meine Leser sicher wissen, liegen mir Nazis nicht besonders ;-) Das gilt auch für andere Faschisten. Eine Querfront kommt überhaupt nicht in Frage. Kein Fussbreit den Faschisten!
Das meine ich ernst. Mit rechten Spinnern kann man nicht zusammen arbeiten. Jeder, der es tut, wird ein böses Erwachen erleben. Das wird auch vielen Leuten auf den “Montagsdemos” so gehen. Das wiederum finde ich sehr bedauerlich. Wenn sich Leute schon endlich empören, müsste man die Energie sinnvoller eingesetzt bekommen. Dass sie sogar auf die Strasse gehen, finde ich gut. Aber die rechten Verführer sind genau die Leute, vor denen man Suchende schützen muss. Denn fallen sie auf die Sirenengesänge herein, verliert sich so mancher leicht in der Nazi-Ideologie – und wird letztlich zu dem, was er eigentlich bekämpfen sollte.
Insofern: “Empört Euch! Aber schaltet die kleinen, grauen Zellen nicht aus dabei!” Das möchte ich den Montagsdemonstranten zurufen. Sie sind nämlich in Gefahr.
publiziert Sun, 25 May 2014 01:48:22 +0200 #medienkritik #meinungsmache #nazis #protest