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Pfui! Hinterhältige Russen wagen es, wie jedes Jahr eine Militärparade abzuhalten„PISA beschädigt die Bildung weltweit“

Religionswissenschaft oder Ideologie unter wissenschaftlichem Deckmäntelchen?

Der Religionswissenschaftler Michael Blume stellt in seiner neuesten Veröffentlichung eine steile These auf:

Religionen – und nur Religionen! – vermögen Menschen in ausreichender Zahl zu dem Verzicht zu bewegen, den Familien mit mehr als zwei Kindern bedeuten.

Blume argumentiert, menschliche Populationen ohne Religion wären prinzipiell zum Aussterben verdammt. Wenig überraschend, polarisiert er damit seine Leserschaft.

Interessant finde ich jedoch die Frage, wie Blume auf dieses Ergebnis kommt, dass er als “empirischen (also überprüfbaren) Befund” vorliegen zu haben glaubt. Denn Empirie zu finden, die eine solche These stützen könnte, ist alles andere als einfach.

Zunächst einmal halte ich es für eine Binsenweisheit, dass zu erwarten ist, dass Menschen mehr Kinder bekommen, wenn ihre Ideologie ihnen Kinderreichtum als erstrebenswertes Ziel vorgibt oder gar Verhütung grundsätzlich verbietet. Entsprechend teile ich die These, dass für Menschen, die einer solchen Ideologie anhängen, empirische Belege eines im Vergleich grösseren Kinderreichtums zu erwarten sind. Das ist hier aber nicht der Punkt.

Denn die Aussage ist viel umfassender getroffen: alle andere Ideologien als Religionen, die aber auch Kinderreichtum positiv besetzen, sollen trotzdem nicht in der Lage sein, eine menschliche Population überleben zu lassen. Zudem sollen menschliche Populationen, denen Kinderreichtum nicht ideologisch besetzt ist, zwingend aussterben müssen laut Blume.

Betrachte ich diese Aspekte, so frage ich mich, weshalb. Und ich frage deshalb in seinem Blog direkt Herrn Dr. Blume. Leider bekam ich jedoch keine sachlichen Antworten auf meine Fragen. Stattdessen wurde ich mit Abwehrmechanismen belegt. Zusammenfassend schreibt er mir:

Das Sie auf die Infragestellung Ihrer weltanschaulichen Annahmen erst einmal emotional ablehnend reagieren, kann ich verstehen und habe es auch schon 100mal erlebt.

Herr Dr. Blume kapriziert sich in der Blogdiskussion auch im Speziellen auf Atheismus. Auf meinen Hinweis, dass historisch gar kein Atheismus in der Breite feststellbar ist, sondern dass die Verbreitung von Atheismus ein Phänomen der Neuzeit darstellt, und dass schon deshalb zweifelhaft ist, ob man überhaupt Empirie finden kann, die solche steile Thesen stützen kann, entgegnet er, dass das Fehlen der Verbreitung von Atheismus in der Geschichte gerade der empirische Beweis dafür sei, dass atheistische Populationen nicht überleben könnten. Blume folgert also aus Nichtexistenz. Anders formuliert: er gibt zu, keine Empirie vorliegen zu haben (weil es ja seiner Ansicht nach keine geben kann).

Das finde ich nun für einen Wissenschaftler arg dünn. Entsprechend mache ich mich zur Person Blumes kundig. Und siehe da: Blume ist erklärter gläubiger Christ. Er ist in religiösen Organsiationen tätig, unter anderem ist er Ehrenvorstand der Christlich-Islamischen Gesellschaft in Stuttgart. Ich konfrontiere ihn mit dem Problem, dass er hier möglicherweise einem Confirmation bias unterliege – als Religionswissenschaftler gleichzeitig für gelebte Religion einzutreten, lässt doch zumindest den Schluss zu, dass Blume sich in seinem Fach extrem vorsichtig bewegen muss. Ich frage ihn, wie er mit dem Problem umgeht.

Auf die Antwort warte ich heute noch. Stattdessen finde ich in seinem Blog nun ein Video veröffentlicht, in dem er zusammen mit Dr. Heinz-Hermann Peitz an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart auftritt, einer Organisation der katholischen Kirche. Dr. Peitz erklärt gleich zu Anfang des Videos:

Heute zu Gast ist der Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume. Mit dem arbeiten wir ja nun schon seit einigen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten zusammen.

Dr. Blume ist also nicht nur, folgt man dieser Darstellung, ein Religionswissenschaftler, der über kirchliche Organisationen wie die “Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart” arbeitet, sondern arbeitet stattdessen “mit ihr zusammen”. Oder noch deutlicher: Dr. Blume arbeitet über die Organisation, der er als Katholik selbst angehört [Anmerkung: das scheint falsch zu sein, Dr. Blume sagt, er sei nicht katholisch], und er arbeitet dabei mit anderen, professionellen Ideologievertretern dieser Organisation zusammen, die ebenjene Ideologie – die er doch wissenschaftlich, also neutral und mit Distanz untersuchen sollte – vermarktet und vertritt.

Zusammen mit dem Umstand, dass Dr. Blume auf sachliche Kritik in der öffentlichen Diskussion gar nicht eingehen möchte, zeichnet sich hier kein Bild eines seriösen Religionswissenschaftlers ab. Viel eher scheint Dr. Blume nicht in der Lage zu sein, die notwendige wissenschaftliche Distanz zu seinem Topos zu wahren. Seine Ergebnisse sind entsprechend zu hinterfragen.

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