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“Wikipedia, 9/11 und das Problem mit dem Dissens - ein Selbstversuch”

Gibt man bei Google das Kürzel "9/11" ein, taucht fast an erster Stelle der entsprechende Wikipedia-Artikel auf. Die Terroranschläge in den USA liegen zwar mehr als zwölf Jahre zurück, doch selbst die deutschsprachige Version dieser Seite wird weiterhin rege besucht. Laut Statistik informieren sich mehr als tausend Besucher pro Tag hier über Ablauf und Hintergründe des 11. September 2001 - mutmaßlich wohl vor allem Schüler, Studenten und andere Interessierte, die die Anschläge nicht bewusst erlebt haben. Der Wikipedia-Artikel zu 9/11 spielt ohne Frage eine wichtige Rolle für die öffentliche Information zu den Anschlägen.

Den Artikel gibt's auf Telepolis.

Wikipedia ist so wichtig wie gefährdet – beides auf Dauer. Wir reden hier nun mal über das Lexikon – nicht mehr eines, sondern das. Wer hier das Narrativ setzt, setzt die Politik. Es wäre doch erstaunlich, wenn das nicht dazu führen würde, dass PR-Aktivisten aller Couleur hier versuchen ihre Ansichten als Wahrheit zu setzen.

Dieser Gefahr ist Wikipedia immer ausgesetzt, und wird es wohl auch bleiben. Der unglaubliche aufklärerische Vorteil, dass jeder heute in kürzester Zeit in Wikipedia an unglaublich detaillierte Informationen in einem Füllhorn der Themen kommen kann, kostet seinen Preis. Denn wer einen Text schreibt, schreibt eine Geschichte. Immer. Das geht gar nicht anders. Es ist also nur die Frage, wessen Geschichte man zu umstrittenen Themen schreibt.

Hier hat Wikipedia den Weg gewählt, die am breitesten unterstützte Geschichte zu erzählen. Dabei geht es nicht um Wahrheit: die Geschichte wird erzählt, die von der breiten Masse so akzeptiert wird. Damit steht in Wikipedia letztlich immer der Mainstream.

Ich habe ein ähnliches Experiment auch schon durchgeführt. In Wikipedia steht Theologie im Wissenschaftsportal.

Nun handelt es sich bei Theologie zweifelsfrei um ein Fach, das an Universitäten gelehrt wird. Ist es jedoch eine Wissenschaft? Ich kenne keinen ernstzunehmenden zeitgenössischen Wissenschaftstheoretiker, der dieses Fach dort einsortieren würde. Historisch sieht es anders aus: Theologie war mal eine anerkannte Wissenschaft. Aber das waren Astrologie und Alchemie auch einmal.

Jedoch ist es Mainstream in der öffentlichen Diskussion, dass Theologie eine sei – auch wenn das Wissenschaftler anders sehen. Entsprechend setzt Wikipedia die Theologie ins Wissenschaftsportal. Und ich wurde aufgeklärrt, dass das so sein müsse, weil es Mainstream sei. Ich wurde dabei übrigens von einem Pfarrer aufgeklärt, der für Wikipedia diese Einordnung vornimmt.

publiziert Sun, 02 Mar 2014 18:34:37 +0100 #medienkritik #wikipedia

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