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After the sunDatenschutz: BGH stoppt Datensammlung von Facebook

Randale in Stuttgart – “Die Kräfte des Marktes versagen”

Als ich in die Region Stuttgart zog, war der hohe Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund schon ein kleiner Shock für mich. Selbst in meiner kleinen Abteilung gab es Vietnamesen, Türken, Italiener, Syrer, ein paar "Reingeschmeckte" aus anderen deutschen Regionen und lediglich drei gebürtige Schwaben.

In der Fertigung gab es Abteilungen, die komplett griechisch besetzt waren, die Türken haben geputzt und die Gabelstapler gefahren (in anderen Firmen sammelten sich andere Nationalitäten). Alle teilten allerdings die schwäbischen Wertevorstellungen. Jeder sparte auf seinen Daimler oder fuhr schon einen, alle machten brav die Kehrwoche, weshalb es überall oft alt und manchmal kaputt, aber immer wie geleckt war. Obwohl nie etwas passierte, hatte man in Stuttgart immer eine hohe Polizeipräsenz. Man sah an einem normalen Samstagvormittag in der Königsstraße mehr Polizei wie heute selbst bei Demos.

Jugendliche, die teilweise auch schon mal Ärger mit den Ordnungskräften hatten, fanden immer einen Ausbildungsplatz oder bekamen auch ohne Ausbildung einen Job, von dem man leben konnte und auch noch einen zweiten, mit dessen Geld man auf den Daimler sparte. Es herrschte eben Vollbeschäftigung. Mit der Arbeit kam zwangsläufig die Integration. Die Firmen unterstützten die Weiterbildung zum Techniker, Meister oder ein Studium. Auch wurden Sprachkurse angeboten, wenn es haperte. Damit wurden nahezu alle auf die "richtige" Spur gebracht.

Seit einigen Jahren ist es jedoch anders geworden. Wir haben einen Niedriglohnsektor. Gerade die, die aus eher unterprivilegierten Verhältnissen kommen, bekommen oft keinen Job oder können von ihm nicht leben. Viele sind bei Subunternehmen, die keinerlei Personalentwicklung betreiben. Die Boomzeiten der Wirtschaft sind auch vorbei. Damals wären die Flüchtlinge - egal ob Facharbeiter oder nicht - von der Industrie gierig aufgesogen worden. Jetzt sitzen viele von denen immer noch auf der Straße.

Jetzt, wo die Wirtschaft coronabedingt heruntergefahren wurde, haben sich die Verhältnisse weiter zugespitzt. Statt zu eigenem Auto, Wohnung und Discoparty reicht es nur noch zum Dosenbier am Eckensee. Zusammen mit den gefrusteten Kumpels kann man dann die aufgebrezelten Yuppies mit dem Protz-SUV aus schwäbischer Fabrikation bewundern. Anderswo geht es ganzen Regionen kollektiv schlecht. Aber hier wird der Gegensatz zwischen denen, denen es scheinbar immer besser geht und denen, die immer weiter absteigen, ständig größer.

Ich vermute, dass die Ereignisse von letztem Wochenende vorerst ein Einzelfall bleiben, weil jetzt die Polizeipräsenz deutlich hochgeschraubt wird. Damit kann man den Korken auf der Flasche halten. Das es darunter weiter brodeln wird, kann man damit aber nicht verhindern.

(Quelle: Kommentator “Obergefreiter Dorfl” im Heise-Forum)