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Wie lässt sich der “IS” besiegen?Was von Kriegen übrig bleibt

Es wird immer wieder gesagt, wir sollen konstruktive Vorschläge machen in Sachen Terror – in Ordnung. Aber dann hört bitte zu!

Als Bürgerrechtler hat man es in diesen Tagen nicht einfach. Das übermächtige Sicherheitsbedürfnis steht den Bürgerrechten im Wege – diese müssen zurücktreten, damit man endlich effektiv Terroristen jagen kann. So heisst es jedenfalls. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Denn Rechtsstaat und Demokratieprinzipien sind es, die bei der Bekämpfung Schwerstkrimineller helfen. Ihre Vernachlässigung ist es, die den Bankrott verursacht, den wir bei der “Terror”-Fahndung gerade erleben. Denn eines ist gewiss: so wie es bisher läuft, funktioniert es nicht. Wir haben einen Anschlag am anderen in Metropolen in Europa. Soll das nicht zur Gewohnheit werden, wird es höchste Zeit, zu rechtsstaatlichen Prinzipien und Vorgehensweisen zurück zu finden.

  1. Ermittlung statt Überwachung. Wenn eines deutlich geworden ist, dann dass die durch die Snowden-Veröffentlichungen bekannt gewordene Totalüberwachung nicht dazu führt, dass man Attentäter entdeckt, bevor sie Anschläge durchführen können. Noch mehr Überwachung wird hier ebensowenig helfen wie noch mehr Daten. Bei den Brüsseler Anschlägen verwendeten die Täter Wegwerftelefone ohne Verschlüsselung. Damit tauchten sie in der Datenflut anonym unter. Zu erwischen wären sie freilich gewesen; aber eben nicht durch Überwachung oder Kryptographieverbote. Auch nicht durch die Vorratsdatenspeicherung. Keine dieser Massnahmen hat die Terroristen auch nur ernsthaft gefährdet. Erwischen hätte man sie jedoch mit herkömmlicher Polizeiarbeit können. Nein, man hätte sie so erwischen müssen. Denn wären ihre persönlichen Kontakte durchleuchtet worden, hätte man sich mit ihnen persönlich statt per Mausklick auseinander gesetzt, ihre Netzwerke wären längstens bekannt und aufgeklärt. Sie wären aufgeklärt worden, lange bevor sie einen Anschlag hätten durchführen können. Dazu muss man allerdings qualifiziertes Personal bei der Kriminalpolizei einsetzen. Man muss Leute im Kiez präsent haben – aber nicht Spitzel und “V-Leute”, sondern Polizisten, die aus dem Kiez selbst stammen. Das mag teuer sein – aber der Preis an Sachschaden und vor allem Menschenleben ist nun hoch. Im Endeffekt setzt man das Personal nun ein, und man kann in der Presse die ersten aufgeklärten Netzwerke dokumentiert sehen. Traurig, dass das nicht längstens Staatsanwälte und Kripo-Beamte gemacht haben. Was wir brauchen, ist ein angemessenes Budget für klassische und höchst sinnvolle Ermittlungsarbeit. Staatsanwälte und Kriminalbeamte sind nicht durch billige Mausklicksysteme zu ersetzen. Was wir brauchen, ist qualifizierte Sozialarbeit in den Brennpunkten. Die Kosten für Massenüberwachung und Vorratsdatenspeicherung können dagegen eingespart werden.

  2. Offene Behördenführung, wie es sich für eine Demokratie geziemt. Geheimdienste sind vor allem eines: geheim. Ob sie überhaupt hilfreich sind beim Kampf gegen Schwerverbrecher, steht dahin. Jedenfalls scheinen sie nicht einmal das Mindeste zu leisten, und die Hauszeitung des “IS” zu lesen. Ihre anderen Massnahmen sind jedoch zumindest dubios. Sie müssen nicht koordiniert werden, sondern reformiert – Geheimdienste müssen geschlossen werden, wenn sie nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllen. Stattdessen sollte es Abteilungen in Sicherheitsbehörden geben, die konsequent die Nachrichtenlage auswerten. Und dabei soll nichts mehr geheim sein, sondern genauso öffentlich zu kontrollieren wie alle anderen Behörden auch. Der Mangel an Öffentlichkeitsprinzip ist es, der ganz offensichtlich ihre Funktion verhindert. Wenn keiner kontrolieren kann, was geschieht, dann geschieht das Unkontrollierbare – das Notwendige jedoch nicht mehr. Es muss jedoch genau umgekehrt sein.

  3. Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts. Der Terror hat vor allem einen Nährboden: es ist der “War on Terror” selbst, der wie Benzin in dieses Feuer gegossen wird. Mord kann man nicht mit Morden bekämpfen, und Hass nicht mit Hass. Wer bombt, muss Bomben ertragen. Wer andere versklavt, wird ihren Hass spüren. Aber umgekehrt, wer lebt und leben lässt, wer die Menschenrechte aller achtet und das Völkerrecht nicht verschmäht, der wird nicht gehasst. Wer hilft statt zu unterdrücken, der wird geachtet und geschätzt. Wer wertschätzt, darf Wertschätzung einfordern. Was heute in jedem Code of Conduct steht, muss endlich auch in der Politik wieder Anwendung finden. So entzieht man dem Terror den Nährboden.

  4. Konsequente Ächtung aller Terrorpaten. Wer Geschäfte mit Verbrechern macht, ist ein Verbrecher. Wer das Öl des “IS” kauft, finanziert dessen Morde. Wer Verbrecher aufbaut, um unerwünschte Regierungen zu stürzen, ist ein Verbrecher. Hier könnten Sanktionen helfen – aber eben nicht welche, die man gegen politische Gegner einsetzt. Sondern welche, die man gegen jeden einsetzt, der gegen das Gebot verstösst: keine Geschäfte mit Verbrechern! Konten müssen eingefroren werden, Vermögen gepfändet. Wer Verbrecher finanziert, macht sich mindestens der Hehlerei schuldig – oder Schlimmeres.

  5. Stärkung der Bürgerrechte und Achtung des Mitbürgers – vor allem jedoch Stärkung der demokratischen Teilhabe. Es ist kein Zufall, dass der Terror seine Zellen in Armenvierteln hat. Er ist ein Phänomen der Abgehängten, der Verschmähten, derjenigen, die sich nicht unserer Gesellschaft zugehörig fühlen. Ja, extremistische Religionsausübung spielt hier eine grosse Rolle. Aber haben denn alle das Prinzip der Aufklärung vergessen oder gar verdrängt? Extremistischen Religionsvorstellungen kann man überhaupt nur erfolgreich mit der Aufklärung begegnen! Nein, das ist kein Kuschelkurs, und auch nicht zahnlos. Denn:

  6. Es gibt keine Terroristen. Es gibt nur Mörder und Schwerverbrecher. Und wie man mit denen in einem Rechtsstaat umzugehen hat, sollte doch immer noch bekannt sein: man erschiesst sie nicht. Sondern man nimmt sie fest, und stellt sie vor Gericht. Man hört sie an, und konfrontiert sie mit ihrer Schuld. Man macht das öffentlich, damit jeder sehen kann, dass es ausschliesslich fair abläuft. Denn man macht damit auch etwas ganz wesentliches klar: der Staat ist nicht der Feind. Der Rechtsstaat ist das, was die Bürger zusammen machen: eine richtige, offene und genaue Strafverfolgung, die Gerechtigkeit anstrebt. Eine faire Behandlung, aber auch harte Urteile gegen Unverbesserliche. Denn nur dann ist klar, wer hier im Recht und wer im Unrecht steht.

Es gibt keinen “War on Terror”, sowenig wie es einen “War on War” geben kann. Es gibt nur uns Bürger, und was wir jetzt machen. Werfen wir unsere freien Gesellschaften weg, so spielen wir den Verbrechern in die Hände. Damit sind wir auf dem falschen Weg. Es ist ein schwerer Fehler, denn wir endlich korrigieren müssen. Lasst uns den “War on Terror” endlich beenden, bevor wir und unsere freien Gesellschaften in diesem Krieg umkommen!

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