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Mitmenschlichkeit geht vor Wahrheit!Krise in der Ukraine: Zerfallen in zwei Welten

So aktuell wie nie: Das Manifest der ökonomischen Vernunft

Dieses Manifest blieb zu lange unbeachtet. Es wird Zeit, dass es endlich Verbreitung findet:

Mehr als [fünf] Jahre nach dem Beginn der Finanzkrise stecken die weltweit am meisten entwickelten Volkswirtschaften immer noch in der Depression, in einer Form, die allzusehr an die 1930er Jahre erinnert. Der Grund dafür ist einfach: wir hängen denselben Ideen an, die die Politik auch in den 1930ern beherrschten. Diese Ideen, obwohl längstens widerlegt, beinhalten abgrundtiefe Irrtümer sowohl was die Gründe der Krise betrifft, als auch ihr Wesen, sowie bezüglich der angemessenen Reaktion auf sie.

Diese Irrtümer haben tiefe Wurzeln im öffentlichen Bewusstsein und bilden die öffentliche Unterstützung für die exzessive Austerität der momentanen Fiskalpolitik in vielen Ländern. Deshalb ist die Zeit reif für ein Manifest, in dem etablierte Ökonomen der Öffentlichkeit eine mehr evidenzbasierende Analyse unserer Probleme bieten.

Handelte es sich um einen weniger schweren Schlag, könnte eine entsprechende Geldpolitik die Flaute ausgleichen. Aber mit Leitzinsen nahe Null reicht Geldpolitik alleine nicht mehr aus – obwohl man hier trotzdem tun sollte, was man kann – um der Lage Herr zu werden. Man benötigt selbstverständlich auch einen mittelfristigen Plan, um die Staatsschulden wieder zu reduzieren. Aber wenn man hier überschnell reagiert, führt das zur Selbstzerstörung durch Abwürgen der wirtschaftlichen Erholung. Von höchster Priorität ist jetzt dagegen, die Arbeitslosigkeit wieder zu reduzieren, bevor sie endemisch wird, und die zukünftige Erholung und Defizit-Reduktion noch schwieriger macht, als sie es ohnehin schon ist.

Was entgegnen diejenigen, welche die gegenwärtige Politik befürworten, diesem Argument, das wir hier vorbringen? Sie nutzen zwei recht unterschiedliche Argumente, um ihren Standpunkt zu unterstützen.

Das Vertrauens-Argument. Ihr erstes Argument ist, dass Staatsschulden höhere Zinsen bedingen, und so die wirtschaftliche Erholung verhinderten. Dagegen – so argumentieren sie – würde Austerität das Vertrauen erhöhen und so die Erholung beschleunigen.

Allerdings gibt es keinerlei Evidenz, die dieses Argument stützen könnte. Erstens sind die Zinsen – trotz aller ausserordentlich hohen Defizite – heutzutage in allen grösseren Volkswirtschaften beispiellos niedrig, in denen es eine funktionierende Zentralbank gibt. Das stimmt sogar für Japan, dessen Staatsschulden bereits 200% des jährlichen Bruttoinlandsproduktes übersteigen; und auch die Abwertungen durch die Rating-Agenturen führten nicht zu höheren japanischen Zinssätzen. Die Zinsen sind nur in einigen wenigen Euro-Ländern so hoch, weil es der EZB nicht erlaubt wird, Kreditgeber des letzten Auswegs für die Regierungen zu sein. Überall anderswo kann die Zentralbank immer dann, wenn es nötig ist, die Schulden refinanzieren, um den Anleihemarkt nicht zu gefährden.

Darüber hinaus gibt es aller Erfahrung nach keinen einzigen relevanten Fall, bei dem Ausgabenkürzungen je zur Steigerung der ökonomischen Aktivität geführt hätten. Der IWF hat 173 Fälle von Budgetkürzungen in verschiedenen Ländern ausgewertet, und herausgefunden, dass das alleinige Ergebnis immer wirtschaftliches Schrumpfen war. In den gerade mal eine Handvoll Fällen, in denen fiskalische Konsolidierung tatsächlich von Wachstum gefolgt war, lagen die Hauptgründe in einer Währungsabwertung gegenüber einer ansonsten starken Weltwirtschaft – das liegt ausserhalb der momentanen Möglichkeiten. Die Lektion der IWF-Studie liegt auf der Hand: Budgetkürzungen bremsen die wirtschafliche Erholung. Und das ist es auch, was momentan passiert – die Länder mit den härtesten “Sparprogrammen” erfahren den grössten Rückgang im Produktionswert.

Die Wahrheit ist, wie wir nun erkennen können, dass “Sparprogramme” das Vertrauen der Wirtschaft nicht anregen. Unternehmen investieren nur, wenn sie genügend Kundschaft mit genügend Einkommen sehen, das ausgegeben werden will. Austerität würgt Investitionen ab.

Entsprechend liegt massive Evidenz vor, die dem Vertrauens-Argument entgegen steht; alle Evidenz, die jene Doktrin zu stützen schien, löste sich bei näherer Betrachtung in Luft auf.

Das strukturelle Argument. Ein zweites Argument gegen eine Nachfragesteigerung liegt darin, dass der Produktionswert faktisch auf der Angebotsseite beschränkt sei – und zwar durch ein strukturelles Ungleichgewicht. Wie dem auch sei; falls diese Theorie stimmte, müssten zumindest einige Teile unserer Volkswirtschaften bereits unter Volldampf stehen, genauso einige Arbeitsmärkte. Das ist jedoch in den allermeisten Ländern nicht der Fall. Jeder wesentliche Sektor unserer Volkswirtschaften hinkt, und wirklich jeder Arbeitsmarkt weist höhere Arbeitslosenzahlen auf als sonst üblich. Folglich muss das Problem viel eher in einem allgemeinen Mangel von Ausgaben und Nachfrage liegen.

In den 1930ern wurde dasselbe strukturelle Argument gegen die damals proaktive Ausgabenpolitik der USA vorgebracht. Aber als die Ausgaben zwischen 1940 und 1942 gestiegen sind, stieg der Produktionswert um 20%. Folglich war das Problem in den 1930ern – genau wie heute auch – der Mangel an Nachfrage und nicht etwa an Angebot.

Als eine Folge ihrer fehlerhaften Ideen fügen viele westlichen Politiker ihren Völkern grosses Leid zu. Aber diese Ideen, die sie vertreten, wie man mit Rezessionen umgehen sollte, wurden nach den 1930ern von nahezu allen Ökonomen abgelehnt, und für die nächsten 40 Jahre erlebte der Westen eine beispiellose Periode ökonomischer Stabilität und niedriger Arbeitslosigkeit. Es ist eine Tragödie, dass sich in den letzten Jahren die alten Ideen wieder etablieren konnten. Nun können wir jedoch nicht länger eine Situation hinnehmen, in der falsche Ängste vor höheren Zinsen für Politiker mehr Gewicht haben als der Alptraum der Massenarbeitslosigkeit.

Eine bessere Politik muss zwischen verschiedenen Ländern auch unterscheiden, und benötigt eine differenzierte Debatte. Aber sie muss auf einer richtigen Analyse des Problems beruhen. Wir rufen deshalb alle Ökonomen auf, und alle anderen, die mit den Kernaussagen dieses Manifests übereinstimmen, ihre Zustimmung auf http://www.manifestoforeconomicsense.org Kund zu tun, und öffentlich für einen stichhaltigeren Ansatz einzutreten! Die ganze Welt leidet darunter, wenn Männer und Frauen über etwas schweigen, von dem sie wissen, dass es falsch ist.

Das englische Original gibt es hier. Man kann (und sollte) dort auch unterschreiben!

publiziert Sun, 04 May 2014 18:42:57 +0200 #arbeitslosigkeit #armut #austerität #finanzkrise #ökonomie

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