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An die Polizei in Baden-Württemberg soll sich nur noch wenden können, wer das bezahlen kann

Was sich wie ein Alptraum oder eine kafkaeske Farce anhört, ist einer mir persönlich bekannten Person tatsächlich passiert. Wer auf Sozialhilfe oder Hartz-IV angewiesen ist, kann sich nicht mehr an die Polizei wenden. Kurz zur Sache:

Die Person hat eine Selbstmordankündigung einer anderen Person per SMS bekommen. Daraufhin hat sie sich hilfesuchend an mich gewandt. Ich habe mir die SMS vorlesen lassen – mit einer schriftlichen Ankündigung, kurzfristig Selbstmord begehen zu wollen, ist schliesslich nicht zu spaßen. Aber ein Spaß war das für besagte Person sowieso nicht, die eine emotionale Beziehung zum Selbstmordkandidaten pflegt, und völlig aufgelöst war.

Nachdem klar war, dass wirklich eine schriftliche Ankündigung vorliegt, habe ich die Polizei verständigt. Die ist auch umgehend tätig geworden, hat die Person mit dem Handy aufgesucht, und sich die Ankündigung zeigen lassen. Offensichtlich hat auch die Polizei die Sache so eingeschätzt, dass dem umgehend nachgegangen werden muss, denn sie hat daraufhin eine Handyortung durchgeführt, den Selbstmordkandidaten aufgesucht, und sich vergewissert, ob akute Gefahr für Leib und Leben besteht. Das war nicht der Fall (oder nur scheinbar nicht) – der Kandidat sprach von einem “Scherz”. Mir gegenüber wurde dann danach behauptet, das sei ernst gewesen, man habe nur so reagiert, um die Polizei wieder los zu werden.

Jetzt schickt die Polizei der damals besorgten Person (nicht etwa mir) eine Rechnung über 90,- EUR für die Durchführung einer Handyortung. Ohne eine konkrete Rechtsgrundlage benennen zu können (welche sollte das auch sein), bezieht sich die Abteilung Finanzen des Polizeipräsidiums auf allgemeines Recht für Gebührenerhebung; das Schreiben liegt mir vor (Auslassungen aus Datenschutzgründen):

Leistungsbescheid über die Erstattung von Auslagen für eine Handyortung

[…] am […] um […] drohte […] Ihnen gegenüber Suizidabsichten an. Aus diesem Grunde verständigten Sie die Polizei. Daraufhin wurde vom Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums […], zum Schutz von Leib und Leben, zur Bestimmung des Aufenthaltsortes […] die Ortung [des] Mobiltelefons veranlasst. [Die gesuchte Person] konnte auch durch eine Streife der Polizeiinspektion […] in […] wohlbehalten angetroffen werden.

Durch die Mobiltelefonortung sind der Polizei lt. beigefügter Rechnung Kosten i.H.v. 90,00 € entstanden. Nach §§1, 4, 5 und 14 Abs. 3 LGebG (Landesgebührengesetz) sind Sie zum Ersatz der der Polizei entstandenen Kosten bzw. Auslagen verpflichtet. [Zahlungsaufforderung, Rechtsbehelfsbelehrung].

Hinweis: Wir möchten Sie an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Sie mit dem Widerspruch weder ihre Zahlungsverpflichtung noch einen Zahlungstermin aufschieben können. (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – keine aufschiebende Wirkung bei öffentlichen Abgaben und Kosten).

Wer sich also hilfesuchend an die Polizei wendet, muss für diese “Dienstleistung” bezahlen. Wer das Geld nicht hat, sollte demnach eben nicht die Polizei anrufen. Das können dann nur noch Leute, die es sich leisten können. Wenn es dabei zu Toten kommt: Pech gehabt!

Dem Bescheid wurde nun aufgrund sachlicher Mängel widersprochen (nicht die Person, die den Bescheid bekommen hat, sondern eben ich selbst hatte mich ja an die Polizei gewandt). Für genannte Person wären die 90,- EUR auch kaum zu leisten: schwerbehindert und auf Grundsicherung nach SGB XII angewiesen, ist das ein Betrag, den man sich wörtlich vom Munde absparen muss.

Ich halte Euch auf dem Laufenden.

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