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Die Propaganda geht auf ein neues IntensitätsniveauEin fatales Näheverhältnis (I)

Paradebeispiel für Propaganda und Hetze: die Tagesthemen vom 28.02.2015

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Als wirklich aussergewöhnliches Agitprop-Machwerk präsentiert sich die Sendung “Tagesthemen” vom Samstag. Eine solche Leistung von geschickter Lüge, Manipulation und Hetze will angemessen gewürdigt werden. Entsprechend gibt's hier eine Analyse:

“Reichstagsbrand”

In Sichtweite zum Kreml wurde in der Nacht einer der schärfsten Putin-Kritiker hinterrücks erschossen.

So beginnt der erste Beitrag zur Eröffnung dieser Sendung. Ich stelle hier einmal einen Text gegenüber, mit dem die Tagesthemen auch eröffnen hätten können, wären sie an nüchterner Berichterstattung interessiert:

In Moskau wurde heute um 1:00 Uhr Ortszeit der ehemalige Vize-Ministerpräsident und jetzige Oppositionspolitiker Boris Nemzow auf offener Strasse ermordet. Das Attentat wurde nach ersten Ermittlungen der Polizei vermutlich mit einer Pistole vom Typ “Makarow” aus einem vorbeifahrenden Wagen durchgeführt.

Ihr seht, worauf das rausläuft: statt sachlicher Informationen gibt es in den Tagesthemen emotionale Wertungen. Nemzows Rolle als ehemaliger Vize-Regierungschef wird gleich ganz unterschlagen – und statt als Oppositionspolitiker wird er sofort als “Putinkritiker” eingeordnet. Damit wird die Verbindung zwischen dem russischen Präsidenten und diesem Mord im ersten Satz hergestellt – ohne dass es dafür auch nur den Hauch eines Beweises gäbe. Dass Nemzow die russische Mafia regelrecht mit aufgebaut hat (siehe diesen Artikel hier) und schon während seiner Amtszeit enge Verbindungen zum Westen pflegte, die er mit seiner politischen Bewegung “Solidarnost” sicher noch intensivieren konnte, wird gleich ganz unterschlagen. Solche Informationen tauchen auch in der Folge nicht auf. Aber erst einmal weiter:

Viele Moskauer legten heute Blumen am Tatort nieder, und trauerten um einen der wichtigsten Oppositionspolitiker.

Eine Kranzniederlegung wird in der Totalen eingeblendet, ein Bildbeweis für die “vielen Moskauer” fehlt dagegen. In der nächsten Szene sind es ein Häuflein von vielleicht zehn Leuten. Später sieht man dann noch eine Gruppe von Leuten. Das Lexikon berichtet zu “Solidarnost”:

Die Ursprungsorganisationen verfügen über einen nur geringen Einfluss auf die russische Gesellschaft, jedoch ein großes Interesse in den westlichen Medien. […] Konkret spricht [Solidarnost] sich gegen die Amtszeitverlängerung des Russischen Präsidenten von vier auf sechs Jahre aus. Weitere konkrete politische Ziele sind noch nicht bekannt. Eine konkrete Ziellosigkeit außer der Gegnerschaft zum Kreml wird von Beobachtern der russischen Politik an der neuen Organisation kritisch gesehen. Ebenso sei das geringe Ansehen zahlreicher Führerfiguren bei der breiten russischen Bevölkerung für die Erfolgschancen des Bündnisses problematisch, da diese mit dem wirtschaftlichen Chaos Russlands in den 90er Jahren in Verbindung gebracht werden.

Mit letzterem ist sicher auch das jetzige Mordopfer Nemzow gemeint, der die führende Figur beim Herbeiführen dieses “wirtschaftlichen Chaos” unter Jelzin gewesen ist. Moderatorin Caren Miosga giesst weiter emotionales Öl ins Feuer:

Symbolischer könnte der Ort dieses Mordes kaum sein. Einer der schärfsten Kreml-Kritiker wurde vor den Mauern desselben von vier Schüssen aus einem vorbeifahrenden Auto tödlich getroffen – geradezu hingerichtet. Dieser feige Mord schockierte nicht nur Freunde und Weggefährten von Boris Nemzow. Sie machen – auch wenn noch niemand weiss und möglicherweise wissen wird, wer dahintersteckt – den Kreml mit verantwortlich.

Woher weiss Frau Miosga das? Zu diesem Zeitpunkt kann sie unmöglich ein Meinungsbild aller “Freunde und Weggefährten” von Nemzow eingeholt haben. Die Behauptung wird auch durch nichts belegt. Aber weiter:

Denn in Russland herrscht mehr und mehr ein Klima, in dem die, die anders denken, und die's auch deutlich aussprechen, gefährlich leben.

Miosga unterstellt also, dass Nemzow aufgrund seiner “Putin-Kritik” ermordet wurde, und dass daran der Kreml zumindest mit schuld sei. Alle anderen Tatmotive schliesst sie damit trotz aller Mafia-Verbindungen des Mordopfers von vornherein kategorisch aus. Von Schlapphut-Aktionen fang ich lieber erst gar nicht an, sonst werde ich der Ketzerei angeklagt (“Verschwörungstheoretiker!”). Sagen wir mal so: hier ist erst einmal nicht klar, wer die Profis beauftragt hat, die Nemzow offensichtlich ermordet haben. Miosga liefert jedoch gleich den Täter: es ist – selbstverständlich – Putin. Ich breche hier die weitere Analyse der Emotionalisierungen ab. Es geht weiter damit und mit Putin-Beschuldigungen.

Schliesslich wird die Frage “Doch wer war Boris Nemzow?” beantwortet mit:

1997 wird der junge Gouverneur als Kronprinz von Präsident Jelzin gehandelt. Der entscheidet sich dann aber für Putin.

Diese Auslassung kommt einer Lüge gleich. Kein Wort über sein Amt als russischer stellvertretender Ministerpräsident, keines über seine Rolle als “Architekt” der “wirtschaftlichen Reformen”, die das Land in eine der grössten Krisen seiner Geschichte gestürzt haben. Kein Wort zu den “Privatisierungen”, die die Oligarchen reich und das Volk arm gemacht haben, kein Wort zum Aufstieg der russischen Mafia. Stattdessen ein aufstrebender “junger Gouverneur”, “enttäuscht vom System Putin”, der "Korruptionsfälle aufdeckt”. Der Film endet mit einer Laudatio auf den “ehrlichen, tapferen” Boris Nemzow, der “immer die Wahrheit” gesagt habe – deswegen sei er ermordet worden. Dann wird die Behauptung aufgestellt, Nemzow sei wegen seiner Position zum Krieg in der Ukraine ermordet worden. Granaten-Schokokönig Poroschenko wird eingeblendet, und darf seine Theorie verbreiten, Nemzow sei wegen einer angeblichen Ankündigung von Beweisen für den Einsatz der russischen Armee in der Ukraine ermordet worden. Und so geht es weiter. Was für ein “Glück” für die Tagesthemen, dass sie “zufällig” ein Interview mit Nemzow im Archiv haben, in dem er einen Text herunterspult, der so direkt vom State Department verfasst worden sein könnte ;-) Miosga vermittelt, dass das “für uns so typische Kompromiss-Suchen und Verstehen-Wollen von Putin nichts bringe. Denn der pfeife darauf, und werde nicht aufhören, bis sein Machthunger gestillt sei.”

Schaut Euch das “Interview” einfach selbst an. Besonders absurd wird's da, wo er die ehemalige Beauftragte für Propaganda und Agitation der FDJ, Angela Merkel (geb. Kasner), als “Dissidentin” bezeichnet ;-) Wie alle weiteren, so bleibt auch diese Unwahrheit unkommentiert.

Schliesslich stellt Frau Miosga ihrem Kollegen Udo Lieschkies die Frage, was dafür spricht, dass Putin schuld ist am Mord an Nemzow, und lässt diesen Indizien aufzählen. Kollege Lieschkies säht dann auch noch gleich Zweifel an der Moskauer Polizei. Auf Miosgas Frage, ob's auch andere denkbare Auftraggeber gegeben haben könnte, nennt Lieschkies sofort wieder den Kreml. Es war also laut diesem ARD-Bericht entweder der Chef des Kremls oder eine andere Gruppe im Kreml. Und das wissen diese “Journalisten” schon am Tag der Ermordung, bevor die Polizei überhaupt Gelegenheit für Ermittlungen hatte. Ebenso sicher sind sich die beiden Propagandisten auch darin, dass die Polizei sowieso nichts herausfinden wird. Und ich wage hier mal eine Vorhersage: sollte die Moskauer Polizei einen Ermittlungserfolg trotz der Beteiligung von Profi-Killern haben, so wird in den darauf folgenden Tagesthemen jenes Ermittlungsergebnis dann angezweifelt werden – oder gar nicht darüber berichtet.

Dieser Bericht über den Mord an Nemzow, der ausschliesslich aus Putin-Hetze besteht, füllt die halbe Sendung. Die andere Hälfte ist dann mit der üblichen Propaganda gefüllt: die “Tagesthemen” unterstützen die bösen Islamisten dabei, alle in Angst und Schrecken zu versetzen, Vorwürfe an Pegida wegen Rassismus, und schliesslich die Circenses in aller Ausführlichkeit.

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